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Laila Kirchner

Violoncello

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Laila Kirchner wuchs in Berlin auf und lernte trotz ihrer Linkshändigkeit, das Violoncello mit rechts zu streichen. Nach ihrem Studium der Waldorfmusikpädagogik in Witten (2006–10) studierte sie Instrumentalpädagogik in Osnabrück und brachte sich 2012 im Rahmen ihrer Bachelorarbeit das Linksspielen bei, dokumentierte den Umlernprozess und setzte sich mit kontroversen wissenschaftlichen Hintergründen auseinander. 

Foto: Alexander Englert

Video: Lailas Tango mit linken und rechten Instrumenten

Laila Kirchner - Indira Tango
Laila Kirchner: Indira Tango  
 
Weiterleitung zu Youtube (externer Link)

Fotos: A. Englert / privat

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Im Interview mit Linksgespielt

Gespräch vom 24.09.2021

Wie beschreibst du deine Händigkeit?


Ich bin, seit ich mich erinnern kann, ausgeprägte Linkshänderin. Das fällt schon auf Kinderfotos auf, auf denen ich so ein Dreivierteljahr alt bin und mit Spielzeug spiele.
Meine Eltern haben sehr darauf geachtet, meine Linkshändigkeit zu fördern, und haben mir auch gleich Linkshänderscheren und alles Mögliche gekauft, weil mein Vater in der Schule brutal umerzogen worden war. Sie haben alles dafür getan, dass ich linkshändig bleibe und so schreiben lerne. Entsprechend war das selbstverständlich für mich. Einmal forderte mich in der Waldorfschule ein dominanter Lehrer auf: „Probier doch mal, mit rechts zu schreiben!“ Da habe ich den Stift in die rechte Hand genommen, ein paar Buchstaben gekritzelt und gesagt: „Geht nicht!“ Das war’s.

Ich habe aber in der Schule auch Kinder erlebt, die wirklich brutal umgeschult wurden: „Ja, schönes Bild! Hast du das mit links gemalt?“ – zerrissen – „Nochmal mit rechts!“ Das waren so Sachen… Als ich das Mädchen von damals dann als Erwachsene kontaktierte, weil mich das wirklich nachhaltig beschäftigt hatte, und mich interessierte, wie sie das wohl verarbeitet hat, bezeichnete sie sich als Beidhänderin und das sei auch gut so. Sie hat versucht, sich damit zu arrangieren. Das machen ja viele, dass sie sich dann als Beidhänder bezeichnen. 

Ich mache eigentlich alles mit links, habe mir aber z. B. beim Putzen angewöhnt, die Hände abzuwechseln, um einfach länger durchhalten zu können. Oder beim Federball habe ich früher auch immer gewechselt, um den andern zu irritieren...

Im Sportunterricht hab ich öfter Anpassungsschwierigkeiten gehabt und mich z. B. beim Werfen dann doch für rechts entschieden, um es wie die anderen zu machen. Ich kann überhaupt nicht gut werfen: Mit rechts habe ich keine Kraft und mit links kann ich nicht gut zielen. Da hat ein innerer Anpassungsdruck irgendwie doch dazu geführt, etwas gegen mein Wissen falsch herum auszuführen und es entsprechend schlecht zu können.
Und natürlich das Cellospielen, das habe ich auch rechtsrum erlernt.

 


Stand linkshändiges Cellospiel zur Debatte, als du angefangen hast?


Ja, mein Vater wollte sich damals 1991 in Berlin dafür einsetzen, dass ich das Cellospiel links herum lerne. Leider war die Lehrerin der Bezirks-Musikschule noch jung und kannte Linksspielen nur von verletzten Musikern. Sie traute es sich nicht zu, mich so zu unterrichten. Daher musste ich doch mit rechts streichen lernen. Wahrscheinlich wäre es mir zu dieser Zeit bei jedem anderen Lehrer auch so ergangen. Ich wusste das als Kind nicht und hab mich tatsächlich vier Jahre lang sehr gequält mit dem Streichenlernen. Durchweg blieb meine rechte Hand schwächer und unerziehbarer.

Auch im Studium hatte ich sowohl kräftemäßig und vom Tempo her als auch gefühlsmäßig eine ganz schlechte Verbindung zu meiner rechten Hand. Ich hab sie einfach nicht wahrgenommen. Sie war wie so ein Anhängsel an meinem Körper und ich bin da mit dem Bewusstsein nicht reingekommen. Dadurch konnte ich nie verstehen und umsetzen, was die Lehrer mir wirklich gesagt haben oder was sie meinten.

Ein Lehrer, Wolfgang Sellner von den Bochumer Symphonikern, der mich während meines Waldorfpädagogik-Studiums unterrichtete, machte einmal den Vorschlag: „Probier doch mal, mit links zu streichen. Du bist doch Linkshänderin.“ Das habe ich dann kurz ausprobiert und fand es total komisch. Das wollte ich nicht.

Erst als wir in Osnabrück im Instrumentalpädagogik-Bachelor-Studium eine Vorlesung bei Prof. Dr. Silke Lehmann zur Händigkeitsthematik hatten, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich habe mir sofort das Mengler-Buch ["Musizieren mit links"] gekauft und ein Linkshändercello geordert. Damit stand mein Bachelorarbeits-Thema fest. 


Dann habe ich auf meinem Rechtshändercello probiert, ein bisschen links zu spielen: Ein Liedchen, eine Tonleiter und so... Ich fand: „Das geht ja ganz gut“. Als ich jedoch wieder rechts weiter üben wollte, ging plötzlich gar nichts mehr: Ich konnte die Saiten nicht mehr richtig zuordnen, wechselte in die falsche Richtung, habe Noten rückwärts gelesen und konnte mich nicht mehr sicher auf dem Instrument orientieren. Ich hatte nach dieser kurzen Linksspiel-Einheit eine wirkliche kognitive Überlastungsreaktion. Panisch dachte ich: „Oh Gott, jetzt hab ich mir so ein Instrument besorgt und dieses Projekt für die Bachelorarbeit geplant, muss aber auch mein Studium abschließen.“
Weil ich vorher schon ein Studium absolviert hatte, konnte ich meinen Bachelor von vier auf zwei Jahre verkürzen. Das habe ich stringent durchgezogen und nebenbei auch noch viel gearbeitet. Ich dachte: „Solche Einbrüche im Spiel kann ich mir gar nicht leisten – jetzt so ein Experiment nebenbei machen, das ja auch ein Gehirnexperiment ist...“ Das hat sich dann aber mit dem Linkshändercello und dem häufigeren Spielen total relativiert. Dadurch, dass ich zwei Wohnungen in unterschiedlichen Städten hatte, konnte ich nicht immer beide Celli mitnehmen und musste quasi auch auf dem Rechtshändercello links üben. Dadurch hab ich mich daran gewöhnt, auf jedem Cello in beide Richtungen spielen zu können. Auch nach einem Jahr ausschließlichen Rechtsspielens, kann ich mich an das Linkshändercello setzen und einfach losspielen, weil der Kopf es inzwischen so gewohnt ist, zu spiegeln und seitenvertauscht zu spielen. Es ist nichts Neues und Überforderndes mehr.

 


In deiner Bachelor-Arbeit dokumentierst du dein Umlernen genau und gibst zum Beispiel an, nach wieviel Zeit du welches Stück auf dem Linkshänder-Cello geübt hast. Ich finde es ziemlich krass, dass du so bald schon anspruchsvolle Solokonzerte etc. gespielt hast. Ging es denn so gut mit dem Umlernen?


Am Anfang war es total schwierig – motorisch absolutes Neulernen.

Ich habe mir Geige und Bratsche selbst beigebracht, hatte also schon mehrere Saiteninstrumente rechtsrum gelernt. Beim Beginn des Sitar-Unterrichts in Indien vor meinem Studium, hatte ich kurz überlegt, dieses Instrument linksrum zu lernen, habe mich dann aber wie gewohnt fürs Rechtsspiel entschieden. Mein Lehrer Ustad Rafique Khan sagte mir viel später: „Ja, selbstverständlich spielen die Linkshänder linksrum.“ – Das hatte ich damals so nicht gewusst und auch nicht das Selbstbewusstsein gehabt, es klar zu kommunizieren. Dadurch bin ich instrumental durchweg rechtsgepolt gewesen. Das Vertauschen der gewohnten Aufgaben beider Hände war extrem herausfordernd. Ich dachte am Anfang: „Bis ich aus der Kinderlieder-Phase rauskomme, das wird ewig dauern“.

Aber irgendwann, ich glaube etwa nach einem halben Jahr, hat es "klick" gemacht und ich hatte plötzlich absoluten Zugriff auf meine Lagensicherheit vom Rechtsspielen. Mit einem Mal konnte ich die G-Dur-Bachsuite spielen. Das ist ganz witzig, wenn man ein Stück (rechtsrum) auswendig kann und sich dann an ein Linkshänder-Instrument setzt und es auch komplett auswendig spielt, obwohl man es darauf motorisch zum ersten Mal spielt. Und man spielt es eigentlich schon mit einer konkreten Vorstellung, wie es zu klingen hat. Natürlich klingt es nicht so, aber doch hilft einem diese Vorstellung sehr, das Stück zu formen und umzusetzen. Von da an musste ich es nicht mehr Schrittchen für Schrittchen lernen, denn meine Lagen und Stücke waren plötzlich „greifbar“. Ich erkläre mir das so, dass sich in dem Moment das motorisch neu Erlernte mit den vorhandenen Netzwerken verknüpft hat. Die Lagen sind ja beim Streichinstrument vertikal, wie auf einer Messlatte angeordnet, was erst einmal nichts mit links-rechts zu tun hat. Dieser Sprung von dem, was davor war, bis dahin, wurde nicht durch Üben erreicht, sondern das war wie durch ein plötzliches Umschalten passiert. Seitdem sind mir auch viele andere Sachen leichter gefallen.


Das rechte Spielen hat mich unterschwellig immer sehr gestresst und war meist kräftezehrend und verausgabend. Je länger ich spielte, desto erschöpfter war ich. Als ich dann besser links spielen konnte, hab ich gemerkt, dass ich manchmal wie versackt bin, einfach zwei Stunden geübt hatte und einen enormen Kraftzuwachs bekam. Dieses Flow-Erlebnis hatte ich nicht immer, aber oft. Um mir das zu erhalten, das Linksspielen frei von Druck und Erwartungen zu lassen, entschied ich mich, nicht ganz auf links umzulernen, sondern es einfach nebenher stressfrei weiter zu machen, ohne dass da wieder etwas Negatives reinkommt.Und dadurch ist es jetzt für mich nicht so existenziell, dass ich vollständig umlernen muss und dass es funktionieren muss, sondern ist eine recht entspannte Angelegenheit.

 


Und motorisch ging es gut mit der Koordination der beiden Hände?


Ganz am Anfang habe ich mit beiden Händen getrennt gespielt: entweder gestrichen oder gegriffen. Dabei erwies sich besonders das Greifen mit rechts als schwierig. Die Hand war nicht gedehnt genug und ich griff immer zu eng. Daher habe ich dann sehr viele Sachen so "parallel" geübt: Ich hab mein Cello mittig vor mich gestellt und habe mit beiden Händen gleichzeitig Greifübungen gemacht, um die Finger überhaupt lösen zu können. Es war wie gesagt ein komplettes Neulernen. Rein theoretisch wusste ich, wie es gehen und klingen sollte, aber die beiden Hände mussten ja komplett neue Bewegungen erlernen und miteinander kombinieren. Zwar hatte ich eine klare Zielvorstellung und war ehrgeizig, weiter zu kommen, aber ich empfand es zunächst als sehr mühsam und langwierig. Die neue Kombination der Aufgaben fühlte sich ein Weilchen fremd und ungewohnt an, wurde aber mit der Zeit und der Anzahl an Stücken immer normaler.


Jetzt, nach fast 10 Jahren fühlt es sich ganz vertraut an. Ich würde sagen, dass dadurch, dass ich heute relativ wenig nebenbei links herum spiele und bisher einfach viel mehr rechtsrum gespielt habe, die Lagenwechsel linksrum nicht so weich sind und nicht so geübt. Das ist natürlich auch motorisch weiterhin eine Übungsfrage und je mehr man es praktiziert, desto weicher und flüssiger wird es. Aber die Treffsicherheit und die Vorstellung, auf eine vorhandene Repräsentation zurückzugreifen, das kam wie gesagt schlagartig. Und es ist nach wie vor so, dass ich Stücke teilweise mit links besser auswendig spielen kann als mit rechts. Aber die wichtigste Umlern-Methode für mich waren tatsächlich die Parallelübungen mit beiden Händen. So habe ich auch das Vibrato geübt.

 


Das fand ich interessant in deiner Bachelorarbeit, dass das Vibrato bei dir funktioniert. Bei mir funktioniert das nicht mit rechts…


Anfänglich ging es auch bei mir gar nicht. Die linke Bogenhand ging in Aktion, sodass der Bogen vibrierte und bei der rechten Greifhand überhaupt nichts passierte. Dadurch, dass ich mich auch mit den neurologischen Grundlagen beschäftigte, sagte ich mir einfach: „Ok, es gibt Verknüpfungen der motorischen Zentren und ich kann ja mal versuchen, mit einer Hand von der anderen zu lernen“. Ich habe überall – im Bus an irgendwelchen Stangen oder mit so einem blauen Plastikteil – Trockenübungen für die Greifhand gemacht, wenn ich gerade nicht spielen konnte. Und eben ganz viele Parallelübungen. So konnte ich dann auch das Vibrato vom linken Arm auf den rechten verlagern.


Auch beim Streichen habe ich die Hände öfter gewechselt. Das hat mir sowohl fürs Umlernen geholfen, als auch, beim Rechtsstreichen ein besseres Gefühl zu bekommen. Inzwischen weiß ich nämlich sehr wohl, wie sich eine Bogenhand anzufühlen hat und wie man da Gefühl reinkriegt. Manche schnelleren Stricharten konnte ich mit rechts zuvor nie spielen, ohne dass ich die Kontrolle verlor und mir der Bogen aus der Hand fiel. Wenn ich sie kurz mit der linken Hand ausführe, dann geht es inzwischen mit rechts auch ganz gut.

 


Hat sich das Vibrato jetzt automatisiert, sodass du der rechten Hand nicht mehr aktiv sagen musst: „Mach das jetzt“?


Ich spiele nicht alles mit Vibrato und es ist schon noch ein bewusster Prozess, aber es funktioniert dann motorisch, ohne dass meine linke Hand auch noch reagiert. Die beiden Hände können jetzt entsprechend der jeweiligen Spielweise unabhängig voneinander ihre Aufgaben ausführen.
Eine weitere faszinierende Sache ist das Notenlesen. Ich habe damit immer große Schwierigkeiten gehabt, also dass die Noten irgendwie verschwommen sind, obwohl ich keine Augenprobleme habe. Ich war ganz schnell konzentrationsmäßig überfordert. Das habe ich beim normalen Lesen überhaupt nicht. Durch das Linksspielen ist das Notenlesen sehr viel besser geworden und fällt mir inzwischen auch beim Rechtsspielen wesentlich leichter. Im Nachhinein würde ich sagen, die Probleme könnten eine Nebenerscheinung dieses ganzen Überforderungsprozesses des jahrelangen Rechtsstreichens gewesen sein, weil ich einfach so stark linkshändig ausgeprägt bin. Und das konnte sich durch das Linksspielen jetzt lockern.

 


Hattest du andere Linksspielende oder Umlernende, mit denen du dich austauschen konntest?


Außer Walter Mengler niemanden. Mit ihm hatte ich mal telefoniert und auch ein bisschen geschrieben. Gerade das Anfangstelefonat, in dem er mir empfohlen hat, immer nur ein bisschen und in kleinen Portionen mit links zu streichen, war sehr entscheidend für meine Herangehensweise. Das war der einzige Austausch, den ich hatte.
Mit Johanna Barbara Sattler hatte ich dann später mal telefoniert. Sie vertritt ja sehr stark die Meinung, dass man sich für eine Händigkeit entscheiden sollte. Ich hab aber gemerkt, dass das für mich nicht geht an dem Punkt, an dem ich stehe, und sich auch nicht so notwendig anfühlt. Ich wollte keine der beiden Spielweisen aufgeben und fühlte mich in beiden wohl. 
Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther schrieb mir dazu, ich solle mich nicht von Expertenmeinungen verunsichern lassen, sondern meinem Gefühl folgen. Er fände es selbst auch interessant, sich nicht so stark zu lateralisieren, und könne meinen Umgang damit gut nachvollziehen. Das half mir sehr, es so anzunehmen, und nicht aus einer fremden Perspektive heraus zu verurteilen und als schädigend einzustufen.
Da mir bei meiner Auseinandersetzung mit der Thematik damals die Pianisten Géza Losó und Christopher Seed begegneten, war ich natürlich neugierig, einmal auf einem invertierten Klavier zu spielen. Die Gelegenheit bekam ich bei der Linkshänder-Beraterin und Pianistin Lioba Thiel in Münster, welche ein E-Piano mit Keyboard-Mirror hat. Das Spiegeln war für mich zu dem Zeitpunkt überhaupt kein Problem mehr, weil ich es vom Cello her gewöhnt war. Da man am Klavier ja mit beiden Händen Tasten drückt, also an sich die gleiche Tätigkeit ausführt, musste ich keine neue Bewegung lernen. So konnte ich ad hoc Bach spielen, was ein faszinierendes Erlebnis war. Inzwischen habe ich ein eigenes Interface, welches mir mein Mann, der Informatiker ist, programmiert hat. Theoretisch könnte ich also regelmäßig invertiert spielen, tue dies aber nur ab und zu in den Ferien, weil es mich tatsächlich durcheinander bringt und ich meine Schüler regelmäßig am Rechtshänderklavier begleite. Es ist ja auch immer eine Frage des Zeitmanagements, weil ich doch recht viele Instrumente spiele.


Ein weiteres Instrument stand jahrelang in meinem Regal, bevor ich mich entschloss, es im Rahmen eines Masterstudiums mit kompositorischem Schwerpunkt zu erlernen: Die Tabla Tarang besteht in meinem Fall aus 14 unterschiedlich großen Trommeln, die in einer Skala gestimmt rund um mich herum aufgestellt werden. Dabei hatte ich die Töne zunächst auch konventionell wie beim Klavier angeordnet, also links die Tiefen und rechts die Höhen. Aber ich bin beim Spielen immer depressiv geworden und es ging mir nicht gut damit. Das schob ich auf den Klang, bis mich mein Vater dazu anregte, die Trommeln anders herum anzuordnen, und seitdem fühlt es sich total stimmig an. Es ist somit das erste Instrument, das ich konsequent linksrum spiele.
Grundsätzlich spiele ich die Tabla Tarang mit beiden Händen. Dabei stellte ich fest, dass die Angabe, man sei mit der dominanten Hand etwa 10 % schneller als mit der nicht-dominanten, bei mir tatsächlich so stimmt. Also, dass ich mit links einfach schneller repetitive Trommelbewegungen ausführen kann. Die Tabla Tarang ist ein sehr seltenes Instrument, das auch in Indien kaum gespielt wird. Dadurch gibt es keine Schule dafür, keine Technik und kaum Informationsquellen. Bei der technischen Erschließung entwickelte ich Handsätze, die ich entsprechend meiner Händigkeit so einrichte, dass alles schnell und gut spielbar ist, und ich meine rechte Hand nicht erschöpfe. Auch muss ich alles gut erreichen können. Daher, dass ich mit meinen Händen fast 360° um mich herum spiele, ist es ein koordinativ extrem herausforderndes Instrument. Daran konnte ich nochmals einiges über meine Händigkeit lernen.

Laila Kirchner, Tabla Tarang

Bild aus Lailas Youtube-Video "Tabla Tarang in Dialog"

Die anderen Streichinstrumente, die du mit rechts gelernt hast, hast du die auch ein bisschen linksrum probiert?


Ehrlich gesagt hab ich noch nicht die Gelegenheit dazu gehabt. Ich kann mir das auch nur schwer vorstellen, weil ich es z. B. bei der Geige sehr angenehm finde, dass ich das Instrument links am Kinn habe. Da ich komplett linksdominant lateralisiert bin – also Auge, Ohr, Hand und Fuß links stärker sind – höre und sehe ich auch links besser als rechts. Das ist beim Linkshändercello das Manko, dass ich da quasi um die Ecke höre. Es ist natürlich auch eine Gewohnheitsfrage, aber bei der Geige fühlt es sich schön an, das ganze Instrument und die Klangerzeugung links von mir zu haben. Aber ich kann verstehen, dass professionelle Geiger natürlich mit links besser streichen können als mit rechts.

 


Gab es eigentlich negative Reaktionen auf dein Linksspielen bzw. hattest du Vorbehalte, als du gesagt hast, du willst umlernen?


Ich selbst war damals, als ich erfuhr, dass man auch mit links streichen kann, sehr emotional und dachte: „Boah, warum hab ich das nicht schon vorher gewusst?“ Besonders als ich erfuhr, dass meine Eltern versucht hatten, mich von Anfang an linksrum lernen zu lassen. Dieser Punkt ist noch immer ein sehr sensibler. Daher hatte ich keine negativen Vorurteile. Damals unterrichtete mich Prof. Matias de Oliveira Pinto, der mich sehr darin unterstützte und sogar gelegentlich etwas mit links unterrichtete. Meine Mitstudenten waren auch neugierig und einige probierten, auf meinem Linkshändercello zu spielen. Inwiefern es sie sensibilisiert hat und sie Linkshänder andersherum unterrichten, weiß ich nicht, da mir in Gesprächen auffiel, dass einigen von ihnen das Verständnis dafür fehlte.


Eine sehr negative Erfahrung machte ich im Praktikum der Streicherklassen-Ausbildung, das wir an einer Schule in der Nähe absolvierten. Die Dozentin war überhaupt nicht offen für die Thematik. Unter den Celloanfängern waren zwei linkshändige Kinder, die darunter litten, mit rechts streichen zu müssen. Der Junge war intelligent, hatte in Mathematik Bestnoten, kam aber am Cello überhaupt nicht zurecht. Er konnte keinen störungsfreien Ton spielen, lernte das Greifen nicht richtig und schlug öfters mit dem Bogen nach dem Zweitlehrer, der ihn korrigierte. Er hat den Bogen immer wieder in die linke Hand genommen und es andersrum probiert, rein intuitiv, und wurde immer wieder umgedreht und als schwierig bestraft. Das war sehr krass! Das Mädchen hat sich eher angepasst, hat aber immer über ihren Schmerz im rechten Arm geklagt. Als ich darauf hinwies, bekam ich richtigen Gegenwind von der Dozentin. Auch bei anderen Pädagogen erlebte ich später, dass sie sagten: "Ich habe schon oft Linkshänder unterrichtet und die haben keine Probleme gehabt; und Rechtshänder haben auch Probleme beim Greifen". Diese typischen Argumente wurden einfach vorgeschoben, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen. Das fand ich sehr schade, weil es eine Thematik ist, die ähnlich wie bei der Schreibhand zumindest so weit aufgeklärt sein sollte, dass sich jeder Instrumental-Pädagoge in der Ausbildung und danach damit beschäftigen und dazu eine neutrale Haltung entwickeln sollte. Das heißt, wenn Kinder oder Eltern wünschen, links zu spielen oder es einmal auszuprobieren, dann sollte der Lehrer auch offen dafür sein und es unterrichten oder gegebenenfalls an einen Kollegen vermitteln, anstatt zu sagen: "Das macht man nicht". Leider ist die Ablehnung noch viel zu weit verbreitet, weil es für viele Pädagogen bequeme Gewohnheit ist oder sie Angst haben, sich damit selbst zu überfordern.
 


Spielst du das Cello heute nur noch rechtsrum oder gibt es auch Situationen, wo du zum Linkshändercello greifst?


Also ich spiele offiziell durchweg rechts. Fürs Unterrichten wäre das Linksspielen kein Problem, denn ich kann auch damit alles spielen, was meine Schüler spielen. Vielleicht motorisch nicht so glatt, aber zum Unterrichten reicht's. Für Konzerte würde es nicht ausreichen, dafür spiele ich zu wenig. Ich spiele in Konzerten gerne Literatur mit anspruchsvollen Parts für die linke Greifhand, in denen ich parallel zum Greifen noch zupfen kann oder viele Doppelgriffe habe. Das kann ich auf dem Linkshändercello mit der rechten Hand nicht leisten, ohne sehr sehr viel mehr Zeit ins Üben zu investieren. Ich spiele inzwischen auch rechts herum ruhiger und entspannter und weiterhin sehr gerne.


Mein Linkshändercello ist ein Schülerinstrument der Firma Berndt & Marx, welches ich zunächst mietete und nach einem Vergleich mit einem höherwertigen, das mir nicht so gefiel, kaufte. Das ist im Ganzen doch sehr einfach. Ich habe versucht, den Steg ein bisschen anzupassen, bin aber noch nicht ganz glücklich, weil die D-Saite so liegt, dass man schnell an G- und A-Saite kommt. Da muss ich noch ein paar Sachen optimieren. Ich hab mein Rechtshändercello selbst gebaut. Der Schritt, sich auch ein Linkshänder-Instrument zu bauen oder ein teureres zu kaufen, ist dann doch nochmals eine sehr bedeutsame Entscheidung, die sich bei mir einfach noch nicht ergeben hat. Auch deshalb spiele ich weiterhin gerne mit rechts. Doch das Linksspielen ist für mich sehr bereichernd und emotional wie körperlich wohltuend.

 


Wenn du in beide Richtungen übst, hast du dann nicht Hornhaut und somit weniger Fingerspitzengefühl an den Fingern beider Hände?


Ich empfinde die Hornhaut nicht als so dick, dass ich damit kein Fingerspitzengefühl hätte. Ich merke nur, dass es weh tut, wenn sie nicht da ist. Ich habe ja in Indien Sitar spielen gelernt und parallel dazu weiter Cello gespielt. Bei der Sitar spannt man die Saiten auch mit den Fingern der Greifhand, um die Tonhöhe zu verändern. Dadurch hatte ich zwei tiefe schwarze Kerben in Zeige- und Mittelfinger der linken Hand. Wenn ich dann (rechtsrum) Cello gespielt habe und die dicken Saiten da reingerutscht sind, hat das total weh getan. Daher hab ich mir für die Sitar Lederkappen gebastelt. Dazu sagen die indischen Musiker: „Da fühlst du doch den Ton gar nicht mehr“. Aber ich kann mir die Hände ja nicht kaputt machen und muss auch andere Instrumente spielen können... Daher hab ich überhaupt nicht das Gefühl, dass Hornhaut desensibilisiert, sondern überhaupt erst die Möglichkeit gibt, eine Saite mit der Hand zu bearbeiten. Nach längerem Nichtspielen auf dem Linkscello merke ich, dass sich die Hornhaut und auch die Kraft in den Fingern wieder abbaut. Dann sind meine Fingerkuppen nicht so gut gepolstert und das erschwert das Greifen.

 


Du schreibst ja in deiner Bachelorarbeit, dass du beim Umlernen auch Auftritte mit links gespielt hast und dass das eigentlich gut ging. Bei mir war das zweieinhalb Jahre lang extrem schwierig, sodass in Auftrittssituationen nichts mehr ging und es sich richtig blöd angefühlt hat. War das bei dir gar nicht so?


Ich kann das schlecht beschreiben. Ich hatte da natürlich auch so eine Aufregung vorher: "Oh Gott, ich spiel jetzt mein erstes Concertino mit links". Das war ein Klassenvorspiel, aber da kamen ja auch Leute von außerhalb… Ich hatte das Stück kurz vorher zum ersten Mal mit Klavier zusammen gespielt. Als das dann aber lief – mit der Pianistin, die mich immer begleitet hat –, war es tatsächlich nicht mehr schlimm. Ich wollte auch unter Beweis stellen, dass das geht. Das war ja ein Experiment für mich selbst, um zu sehen, ob es funktioniert oder nicht. Und ich glaube, dadurch, dass ich gar nicht so eine richtige Vorstellung davon hatte, wie lange eigentlich so ein Umlernprozess dauert oder wie man da herangehen sollte, und ich auch unter dem Druck stand, mein Studium abschließen zu wollen, und rechtzeitig genug Material zu haben, über das ich schreiben konnte, hab ich das ziemlich rigoros durchgezogen. Natürlich war das technisch überhaupt nicht vergleichbar und perfekt, aber es war doch so, dass man es in einem Schülervorspiel als fortgeschrittener Schüler hätte vorspielen dürfen. Und mehr war auch nicht mein Anspruch, das war total ok.
Ich hab immer auch geschaut: "In welchem Stadium stehe ich gerade?" Am Anfang bin ich durch die Musikhochschule gehopst und hätte am liebsten jedem erzählt: "Ich hab Bruder Jakob gespielt". Das hab ich mir natürlich verkniffen, weil ich dachte: "Das kannst du jetzt nicht machen". Aber so hab ich mich gefühlt. Ich hab mich RIESIG über jeden kleinen Fortschritt gefreut und über jedes Kinderlied, was ich neu lernte. Weil ich den Umlernprozess ja auch dokumentieren wollte, habe ich von Anfang an Video-Aufnahmen gemacht und das ist sehr aufschlussreich – sowohl damals als auch jetzt noch. „Wie sieht das denn aus?!“ oder „Wie schwer ist mir das motorisch gefallen?“ – Aber ich hatte doch immer ein sehr klares Ziel vor Augen, dass ich zum Beispiel einmal beim Klassenvorspiel vorspielen wollte, oder dass ich mit links bei der Technikklasse mitmachen konnte. Und wenn man merkt, es geht voran, darf man ja das Ziel auch weiter stecken.

 


Hast du in Ensembles auch linksrum gespielt oder im Orchester? Wie waren da deine Erfahrungen?


Nachdem ich die Arbeit geschrieben und das Studium beendet hatte, überlegte ich, wie ich mich weiter mit der Thematik auseinandersetzen könnte. Auch das nächste Studium absolvierte ich mit rechts und übte links nur für mich selbst nebenher. Mich beschäftigten die bekannten Vorbehalte und Argumente, dass Linksspieler im Orchester das Bild und die anderen Spieler stören würden und mehr Platz bräuchten. Um das zu prüfen, fragte ich den Dirigenten Ingo Ernst Reihl, ob ich im Dortmunder Uni-Orchester für ein Semester mit links mitspielen könnte. Der war total aufgeschlossen und hat mich dem Orchester vorgestellt: "Das ist Laila, die hat bei mir Geige, Cello und Bratsche gespielt, im Chor gesungen – und jetzt spielt sie auch noch Linkscello". Und ich wollte es doch eigentlich klammheimlich machen, aber damit wusste dann jeder Bescheid und alle waren sehr offen.

Am Anfang hat das Linksspielen sowohl mich als auch die anderen Cellisten ziemlich irritiert und niemand hat gerne hinter mir gesessen. 

Aber bald schon war es für alle normal und als ich beim Konzert spontan am vorderen Pult spielen musste, hat sich niemand daran gestört. Ein Schlüsselmoment für mich war, dass sich der Abstrich einfach ganz anders anfühlt als der Aufstrich und dass es letztendlich nur auf diese gemeinsame Energie ankommt. Auf diese Weise fühlte ich mich beim Spielen mit allen Streichern im Einklang, unabhängig von links oder rechts.

 


Hattest du kuriose Erlebnisse mit dem Linksspielen?


Die Selbsterfahrung fand ich kurios, dass ich mich ab nem bestimmten Stadium ans Linkshändercello setzen konnte und ein Stück, das ich bis dahin ausschließlich rechtsrum gespielt hatte, mit Ausdruck und allem komplett auswendig spielen konnte. Das fühlte sich wirklich verrückt an.


Beim Unterrichten hatte ich einmal aus Versehen das Linkshändercello mitgenommen und die Schüler mussten damit zurecht kommen. Das, was den meisten erstmal schwerfällt, nämlich, dass man sich mit zwei Rechtshänderinstrumenten eben nicht spiegeln kann, galt auf einmal nicht mehr. Nach anfänglicher Irritation entdeckten sie, dass wir uns beim Gegenübersitzen jetzt plötzlich spiegeln konnten. Eine Schülerin sagte: „Oh, dann kann ich ja viel besser bei dir abschauen und dich imitieren.“


Das Lustigste war, als wir ein Werbefoto mit dem Orchester machen sollten, wofür wir vom Fotografen aufgestellt wurden. Jeder wurde mal ein bisschen verschoben, bis am Ende scheinbar alles stimmte. Da zeigte der Fotograf auf mich, ich müsse ein bisschen weiter nach links. Dann sollte ich doch ein bisschen weiter nach rechts... Das ganze Orchester saß still und wartete und ich wurde hin und her geschoben. Dann sollte ich mich ein bisschen drehen. Dann war er so halbwegs zufrieden, man merkte aber, dass er nicht ganz zufrieden war und einfach nicht bemerkte, dass es daran lag, dass ich eben andersrum saß und das Instrument andersrum hielt.

 


Siehst du Vorteile darin, andersrum“ zu spielen?


Den Vorteil sehe ich darin, dass es sich für mich sehr viel natürlicher anfühlt, mit meiner linken Hand zu streichen. Es ist für mich ein Ausgleich, eine Entspannung. Das erlebe ich aber nicht in jeder Situation. Es gibt auch Momente, da merke ich, es fühlt sich gerade total falsch an und sieht auch falschrum aus. Das kommt aber häufiger vor, wenn ich vorher mit rechts gespielt habe.
Ich halte es für einen Vorteil, wenn Linkshänder von Anfang an mit ihrer dominanten Hand streichen dürfen. Ich habe das in einem Jeki-Praktikum in Dortmund bei Mechthild van der Linde erlebt, wo es für alle selbstverständlich ist, dass die Linkshänder mit links streichen und die Rechtshänder mit rechts. Da wird überhaupt kein Kind von irgendwem irritiert.
Für mich ist es ein anzustrebender Idealzustand, dass das Linksspielen auch im Musikbetrieb ganz selbstverständlich wird, wie’s jetzt bei Gitarristen zum Beispiel schon der Fall ist. 

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