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AutorenbildLinksgespielt

"Es wäre eine Verschwendung, mit links zu greifen" – Christian ist überzeugter Links-Bratschist

Es war für mich klar, dass ich nicht entsprechend der Konvention spielen werde, weil es sich tatsächlich so falsch angefühlt hatte, als ich es einmal rechtsherum versuchte. Es ist eine ganz andere Welt, entsprechend der Händigkeit zu spielen.
Christian spielt linkshändig Bratsche und schaut dabei freundlich  in die Kamera

Christian von Savigny spielt auf einer Linkshänderbratsche und erzählt Sophia Klinke im Interview von seinen Erfahrungen in Orchestern, Konzerten und im Unterricht.



Wie beschreibst du deine Händigkeit?


Ich bin Linkshänder. Einer der Momente, in denen meine Mutter merkte, dass ich Linkshänder bin, war, als ich als kleiner Junge immer den Löffel in die linke Hand nahm, um Quark oder Pudding zu essen. Obwohl ich mir häufig Dinge bei meiner großen (rechtshändigen) Schwester abgeguckt habe, lebte ich klar meine Linkshändigkeit.

Ich tat es ganz selbstverständlich und habe als Baby und Kleinkind andere Leute nicht daraufhin nachgeahmt: ,,Er/sie macht es mit rechts, also tue ich es auch so – fühlt sich zwar irgendwie nicht so gut an, aber ich mache es wie die anderen...“


Von Menschen, die nicht ihre Linkshändigkeit leben, höre ich fast immer, dass sie ihr Leben lang irgendwie ein komisches Gefühl haben. Ich kann gut verstehen, dass man da das Gefühl hat, in der falschen Haut zu stecken.


Hast du deine Instrumente von Anfang an linksherum gelernt?


Ja und nein. Mit sechs Jahren begann ich das Klavierspiel. Bei den meisten Stücken, die man als Anfänger lernt, spielt in der Regel die rechte Hand die Melodie und die linke Hand die Begleitung – erst später kommen komplexere Stimmaufteilungen und es kommt auch vor, dass mal die linke Hand hervorgehoben wird.

Meine Klavierlehrerin musste lange daran arbeiten, meine linke Hand leiser werden zu lassen, weil ich mit dieser immer so gedonnert habe.

Es hat wirklich gedauert, bis sie mir das ,,ausgetrieben“ hatte. Vor allem die rechte Hand zu stärken, die ja viel zu schwach war, weil ich sie im alltäglichen Leben nie so beanspruche, war ein Akt, denn immer wenn ich irgendetwas Wichtiges mache, tu ich's mit links – logisch.

Damals wusste ich auch noch gar nicht, dass es Linkshänderklaviere überhaupt gibt. Ich habe irgendwann einfach akzeptiert: ,,Klavier ist so herum“ und es nicht mehr in Frage gestellt. Aber zum Spaß sagte ich oft: ,,Oh, das wäre cool, wenn ich links die Melodie hätte.“


Mit zehn Jahren begann ich das Bratschenspiel, das ich von Anfang an linksherum lernte.

Da war für mich klar, dass ich es nicht entsprechend der Konvention spielen werde, weil es sich tatsächlich so falsch angefühlt hatte, als ich es einmal rechtsherum versuchte. Beim Klavier war es für mich noch einigermaßen akzeptabel, aber den Bogen mit rechts streichen zu müssen, fühlte sich sehr seltsam an, obwohl ich das Instrument noch gar nicht richtig spielen konnte – die Annahme ,,Wenn man von Anfang an rechtsherum spielt, dann passt das schon“ stimmte für mich nicht.

Deswegen habe ich gesagt: ,,So nicht“ – und bin auch sehr glücklich, dass es so gekommen ist, denn es ist eine ganz andere Welt, entsprechend der Händigkeit zu spielen. Anders wäre es total anstrengend. Man kann dann nicht so einfach sein Ding machen, weil das Gehirn aufgrund der vertauschten Händigkeits-Ausübung ständig überanstrengt ist.


Gab es von irgendeiner Seite Vorbehalte dagegen, dass du das Bratschenspiel linksherum lernen wolltest?


Nein. Meine Bratschenlehrerin war diesbezüglich sehr aufgeschlossen und ließ sich auf das ,,Experiment“ ein, zum ersten Mal einen Linksspieler zu unterrichten.

Wenn sie und ich im Unterricht Duos spielten und unsere Schnecken in die selbe Richtung zeigten, erinnerte das ein bisschen an zwei Schwäne, die ein Herzen bilden, was immer sehr schön aussah.

Es gab keine Vorbehalte in dem Sinne, aber was ich immer hören musste: ,,Wenn du Bratsche auf links lernen möchtest, wird es später in einem Orchester schwierig.“ Dabei sind meine Erfahrungen diesbezüglich ganz andere gewesen, nämlich positive: überraschte, neugierige MitspielerInnen und Dirigenten.


Bitter erzähle uns mehr über deine Erfahrungen als Linksspieler in Orchestern.


Von allen, die das gesehen haben, kamen in der Regel Ausrufe wie: ,,Wow!“ Auch die Lehrer im Schulorchester waren aufgeschlossen: ,,Das ist ja toll!“ Viele wollten die Bratsche gerne einmal halten und versuchen, darauf zu spielen, um zu spüren, wie sich das anfühlt.

Die Resonanz zu meinem Linksspielen war stets positiv, obwohl ich mich damals in der ersten Orchesterprobe noch sehr zurückhaltend verhielt und dachte: ,,Hoffentlich sehen die anderen nicht, dass ich linksherum spiele, und falls doch, wird es hoffentlich zu keinem Problem gemacht werden.“ Die anfängliche Besorgnis hatte sich aber schnell gelegt und später war ich sogar lange Stimmführer bei den Bratschen im Schulorchester.


Meine Mutter ist Kantorin und bei ihren Konzerten spiele ich manchmal mit. In den Kirchen ist es da platzmäßig meist etwas enger und da schaue ich natürlich, dass mein Pultnachbar und ich uns so setzen, dass wir beide dennoch genug Platz zum Streichen haben. Manchmal sitzen wir auch etwas versetzt.


Negative Reaktionen gab es demnach also nicht?


Nein. Außer der ,,Prophezeiung“, dass es beim Orchesterspiel zu Problemen führen würde, was sich aber alles andere als bewahrheitete.

Ich erinnere jedoch, dass im Schulorchester einmal jemand halb aus Spaß, halb aus Ernst sagte, dass mein Linksspielen in der Bratschengruppe ,,übelst komisch“ aussähe – damals war ich noch nicht Stimmführer. Dafür, dass das halb aus Spaß, halb aus Ernst gesagt wurde, haftet es dennoch immer noch an mir, weil es meine anfängliche Angst, dass das Linksspielen zum Problem gemacht werden könnte, nährte. Zu dem Zeitpunkt zog ich mich auch erstmal etwas zurück, klärte die Sache dann aber relativ schnell für mich.


Woher hast du deine Instrumente?


Die 3/4-Bratsche, auf der ich als Zehnjähriger begann, mieteten wir bei der Firma Berndt & Marx.

Meine jetzige 4/4-Bratsche ist eine Spezialanfertigung von Martin Grohe.


Welche Vorteile siehst du für dich im andersherum Spielen?


Es ist wirklich etwas komplett Anderes. Ich erlebte nicht die Erfahrung, die ich beim Klavier hatte: Das Gefühl, irgendwie anders als alle anderen zu spielen, weil ich die linke Hand immer so unfassbar stark betonte – die Basstöne, die am Anfang in der Regel die Begleitstimme sind und wegen denen ich oft gesagt bekam: ,,So kannst du nicht spielen, das klingt einfach nicht gut. Okay, du bist Linkshänder, deswegen versuche einmal, die linke Hand ein bisschen zurückzustellen, denn du donnerst mit ihr so rein“. Diese Sätze kamen so oft.

Das wurde mir beim Bratschenspiel linksherum erspart. Da wurde mir nie etwas so Allgemeines gesagt wie: ,,Das kannst du so doch nicht machen.“


Wie empfindest du die unterschiedlichen Aufgabe der Hände beim Bratschenspiel?


Ich glaube, viele unterschätzen am Anfang den Bogenarm. Die Tongebung, also die Art und Weise, wo du streichst, ob du den Bogen etwas anwinkelst oder nicht usw., um eine flüssige Bewegung zu schaffen. Mit Arm und Hand diese Bewegung hinzukriegen, ist eine Kunst, während man mit der Greifhand letztendlich ,,nur“ die Töne greift, wenngleich da natürlich auch Dinge wie Vibrato und die Art und Weise der Fingeraufsetzung eine wichtige Rolle spielen.

Die Aufgabe der Greifhand bleibt dennoch eher eine mathematisch-rationale, während die Bogenhand die Emotionen zum Klingen bringt und an die Menschen weiterträgt – für mich fühlt es sich jedenfalls so an.

Es wäre eine Verschwendung, wenn ich mit meiner linken Hand die Saiten drücken würde – das ergäbe keinen Sinn. Es gibt ja schließlich Gründe, weshalb Streichinstrumente für unsere vorwiegend auf RechtshänderInnen ausgerichtete Welt so herum gebaut werden. Daher ist es ebenso logisch, dass das Linkshänder seitenverkehrt empfinden und entsprechend spielen wollen.

Das ist wie Tag und Nacht. Wenn ich andersrum spielen müsste, wäre dies seltsam und da denke ich: ,,Oh Gott, gut, dass ich es nicht gemacht habe“ und bin sehr froh darüber.



Christian und Silke sitzen mit ihren Instrumenten in Spielhaltung auf einem roten Samtsofa vor roter Tapete

Christian von Savigny (Viola) und Silke Becker (Flöte) bei einer Infoveranstaltung von Linksgespielt




 

Weitere Interviews zu linkshändigem Streichinstrumentenspiel sammeln wir hier und hier. Viel Spaß beim Stöbern!


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