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„…rechtsherum habe ich mich dem Instrument ausgeliefert gefühlt“ – Bachelorarbeit

  • Autorenbild: Dirk Becker
    Dirk Becker
  • 14. Juli
  • 91 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Juli

Eine Analyse des Umlernprozesses von Rechts- auf Linksinstrumente anhand von Erfahrungsberichten umgeschulter Linkshänder:innen




Bachelorarbeit von Dirk Becker


Musikhochschule Trossingen / 30.09.2024 / Studiengang: BA Lehramt Gymnasium / Betreuung: Dr. Mercé Bosch Sanfélix & Mechthild Großmann



Dirk Becker musiziert auf der Linkshänder-Trompete gemeinsam mit Sophia Klinke (linkshändige Geige) und Silke Becker (Linkshänder-Querflöte)
Dirk Becker (Trompete), Sophia Klinke (Violine) und Silke Becker (Flöte). Foto: Laila Kirchner




Vorbemerkung zur Genese dieser Arbeit


Diese Arbeit ist das Ergebnis meiner eigenen persönlichen Erfahrungen und einer langen Auseinandersetzung mit der Frage, ob es für linkshändige Menschen sinnvoll oder sogar notwendig ist, auf einem ihrer Händigkeit entsprechenden Instrument zu musizieren: Vor genau fünf Jahren kam ich nach Trossingen, um im künstlerischen Studiengang Trompete zu studieren. In meinem Ringen um künstlerischen Ausdruck kam ich zu der alles verändernden Einsicht, auf ein Linksinstrument umsteigen zu müssen, wenn ich mich als Linkshänder authentisch musikalisch ausdrücken wollte.


Dieser Prozess war zwar eine unglaublich große Befreiung, doch war der Weg weitaus steiniger als erwartet und führte dazu, dass ich das künstlerische Studium abbrechen musste. Im Nachhinein war die Entscheidung, auf ein Linksinstrument umzusteigen aber trotzdem absolut richtig, denn plötzlich habe ich mich auf meinem Instrument zum allerersten Mal wirklich „zu Hause“ gefühlt. Ganz bewusst möchte ich meine eigene Geschichte aus dem Hauptteil dieser Arbeit ausklammern und nur in einem persönlichen Nachwort auf sie eingehen.




Inhalt

Vorbemerkung zur Genese dieser Arbeit

Vorüberlegung zu den Begrifflichkeiten

Einleitung

1 Theoretischer Hintergrund zur Händigkeit

1.1 Der kulturelle Kontext: Umgeschulte Linkshändigkeit gestern und heute

1.1.1 Gewaltsame Umschulung in Schulen bis in die 1980er

1.1.2 Folgen einer Umschulung der Händigkeit

1.1.3 Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft

1.1.4 Rückschulung

1.2 Grundlagen und aktueller Forschungsstand zur Händigkeit

1.2.1 Hirnasymmetrie

1.2.2 Grundlegende Fragen

1.2.2.1 Wie groß ist der Anteil von linkshändigen Menschen?

1.2.2.2 Woher kommt die Händigkeit?

1.2.3 Möglichkeiten der Testung von Händigkeit

1.2.3.1 Handpräferenztests

1.2.3.2 Handgeschicklichkeitstests

1.2.3.3 Qualitative Händigkeitstests

1.2.3.4 Testergebnisse und die Frage nach dem Instrument

1.2.4 Definition von Händigkeit

1.2.5 Bildgebende Verfahren

1.2.6 „Ticken“ linkshändige Menschen anders?

2 Musizieren mit Links!?

2.1 Aktueller Forschungsstand

2.1.1 Linksspielen in Geschichte (und Gegenwart)

2.1.2 Musikpädagogische Diskussion

2.1.3 Wissenschaftliche Studien

2.1.3.1 Linksspielen in Wissenschaftlichen Untersuchungen

2.1.3.2 Anteil der Linkshändigkeit unter Musizierenden

2.1.3.3 Vorteil von Linkshändigkeit in musikalischen Teilleistungen

2.1.3.4 No disadvantage for left-handed musicians (Kopiez et al., 2012)

2.1.3.5 Wissenschaft vs. Erfahrungsberichte

2.2 Qualitative Inhaltsanalyse von fünf halb-strukturierten Interviews zur Beschreibung des Umlernprozesses von Rechts- auf Linksinstrument

2.2.1 Vorgehen und Methodik

2.2.2 Der Moment das erste Mal auf einem Linksinstrument zu spielen

2.2.3 Die Instrumentalist*innen und die Instrumente

a) Renata Schoepflin / Cello

b) Silke Becker / Querflöte

c) Peer Oehlschlägel / Schlagzeug

d) Sophia Klinke / Violine

e) Juliane Linder / Klavier

2.2.4 Analyse

(1) Händigkeit und Rückschulung beim Schreiben

(2) Das Spielgefühl

(2.1) Musizieren „davor“

(2.1.1) Der Zusammenhang mit der umgeschulten Linkshändigkeit

(2.1.2) „Irgendetwas stimmt nicht“

(2.1.3) Körperliche Beschwerden

(2.1.4) „nur über Umwege“

(2.2) Musizieren „danach“

(2.2.1) „eins mit dem Instrument“

(2.2.2) „ausdrucksvoller“ & „endlich Musiker*in!“

(2.2.3) „entspannter“ & „unangestrengter“

(2.2.4) „stimmig“ & „ausgeglichen“

(2.2.5) Probleme lösen sich „von alleine“

(2.3.6) Verbesserte Atmung, Körperhaltung und Wahrnehmung

(2.3.7) Zwischenfazit

(3) Der Umlernprozess

(3.1) Erschwerende Faktoren

(3.1.1) Erwartungshaltung

(3.1.2) Dauer

(3.1.3) Druck

(3.1.4) Kritik

(3.1.5) Literaturauswahl

(3.2) Begünstigende Faktoren

(3.2.1) Das gute Gefühl

(3.2.2) Gelassenheit

(3.2.3) Instrument mit ähnlichen Aufgaben pro Hand

(3.2.4) Experimentieren mit der Leserichtung

(3.2.5) Austausch

(3.3) Zwischenfazit

2.2.5 Zusammenfassung

2.2.5.1 Umschulungsfolgen am Instrument

2.2.5.2 Sollten linkshändige Kinder ihr Instrument linkseitig lernen?

2.3 Linksgespielt von Anfang

2.4 Schlusswort

3 Ein ganz persönliches Nachwort

Literaturverzeichnis





Vorüberlegung zu den Begrifflichkeiten


In der Begriffswahl orientiert sich diese Arbeit an den Arbeiten von Johanna Barbara Sattler und nutzt den Begriff der*s umgeschulten Linkshänder*in als Beschreibung eines linkshändigen Menschen, der dazu gebracht oder gezwungen wurde, die rechte Hand für Tätigkeiten zu benutzen, die typischerweise von der dominanten Hand ausgeführt werden. Dass der Begriff der Umschulung in Fachkreisen teilweise als zu verharmlosend für diesen gewaltsamen Eingriff kritisiert wird, sei hier bereits erwähnt. An manchen Stellen mag auch die Unterscheidung nach Mühlhäuser et al. (2011) anklingen, die zwischen „gelebter“ und „nicht gelebter Linkshändigkeit“ mit den Unterkategorien „erkannte“ und „nicht erkannte Linkshändigkeit“ unterscheidet, was aber auf einzelne Fälle bezogen sprachlich oft zu schwierig zu formulieren ist.


Begriffe wie „rechtsschreibender Linkshänder“, „verkappter Linkshänder“ oder „Pseudo-Rechtshänder“ werden aus verschiedenen Gründen vermieden. Auch wenn die Terminologie in Bezug auf das Instrument in den bisherigen Veröffentlichungen variiert, scheint die beste Formulierung „rechtsseitiges" bzw. „linksseitiges“ Instrumentalspiel zu sein. Ein Beispiel soll die begriffliche Schwierigkeit kurz verdeutlichen: Historisch gesehen bezeichnete „linkshändiger Pianist“ im frühen 20. Jahrhundert einen „einarmigen Pianisten“, während wir heute zunächst an einen „Linkshänder“ denken, obwohl der Begriff im instrumententechnischen Diskurs auch einen „linksseitig spielenden Pianisten“ bezeichnen könnte (Vogel, 2016).


Um jedoch nicht immer von einem „linksseitigen Musikinstrument“ sprechen zu müssen, wird in dieser Arbeit die vereinfachte Bezeichnung „Linksinstrument“ verwendet, um die Abweichung von der heute gültigen Norm des „Rechtsinstruments“, zu beschreiben. Formulierungen wie „Linkshänderinstrument“ verbieten sich nicht nur aus Gründen einer gendergerechten Sprache, sondern auch dahingehend, dass neben der Händigkeit auch eine Verletzung der Grund für diese heute (leider!?) noch unübliche linksseitige Spielweise sein kann.





Einleitung


Während Linkshänder*innen heute in der Schule glücklicherweise nicht mehr mit Gewalt gezwungen werden, mit der rechten Hand zu schreiben, sieht es beim Musizieren anders aus: Hier muss die persönliche Entfaltung allzu oft der starren Tradition weichen. Angehende linkshändige Musizierende lernen das Instrument oft unhinterfragt in der üblichen Spielweise. Zwar gibt es immer mehr Linksinstrumente, doch ist diese Problematik lange nicht in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Auch wenn hier noch viele Fragen offen sind und wissenschaftliche Untersuchungen ebenfalls keine endgültigen Antworten geben können, ist zumindest für einige Linkshänder*innen klar: Nur mit dem richtigen Instrument kann man „richtig Musik machen“.


In dieser Arbeit möchte ich die Erfahrungen von Instrumentalistinnen und Instrumentalisten analysieren, die in ihrer musikalischen Laufbahn die Entscheidung getroffen haben, auf ein gespiegeltes Instrument zu wechseln. Der Fokus soll dabei auf sogenannten umgeschulten Linkshänder*innen liegen, die, nachdem sie ihre Linkshändigkeit erkannt und das Schreiben rückgeschult haben, nun auch mit dem Musikinstrument einen Umlernprozess angehen, den ich im Folgenden näher beschreiben möchte. Nichtsdestotrotz möchte diese Arbeit für alle Musiker*innen sprechen, die ihr Instrument entgegen der Norm linksseitig spielen und durch ihre Erfahrungen bedeutend zu der Frage beitragen, wie sich händigkeitsgerechtes Musizieren auswirken kann.


Im Gegensatz zu den Aussagen, dass die Händigkeit beim Musizieren zu vernachlässigen sei und dass es „kein[en] Nachteil für Linkshänder beim Spiel auf Rechtshänderinstrumenten“ (Kopiez et al., 2012, o.S.) gäbe, impliziert allein der Begriff „händigkeitsgerecht“, dass die Händigkeit beim Musizieren vielleicht doch eine größere Rolle spielt, als allgemein angenommen wird (Arnoldussen, 2020). Dem soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.





1 Theoretischer Hintergrund zur Händigkeit


Da die Entscheidung, ein Musikinstrument, das in der herkömmlichen Weise gelernt wurde, umzulernen, eine ganze Reihe von Fragen und Themen mit sich bringt, ohne die der Prozess des Umlernens nicht wirklich eingeordnet und verstanden werden kann, soll vor einer qualitativen Analyse der Erfahrungen einzelner Instrumentalist*innen beim Umlernen sowohl auf den Forschungsstand zur Händigkeit als auch zum linkshändigen Instrumentalspiel eingegangen werden.


Da die Problematik der umgeschulten Händigkeit, die vor allem von Barbara Sattler beschrieben wird, im Forschungsdiskurs zur Händigkeit weitgehend unbeachtet bleibt, soll diese Thematik einleitend den Rahmen dieser Arbeit bilden.






1.1 Der kulturelle Kontext: Umgeschulte Linkshändigkeit gestern und heute


1.1.1 Gewaltsame Umschulung in Schulen bis in die 1980er


Ich glaube, das hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich wurde ja gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben. Und das hat mich irgendwie psychisch gebrochen. (Erfahrungsbericht zitiert nach Sattler, 2024, 23:15–23:28)
Die gewaltsame Umerziehung auf die rechte Schreibhand im ersten Schuljahr [...] [hat] mir fast das Herz gebrochen […]. Die Erfahrung der Unterdrückung meiner Linkshändigkeit war so einschneidend gewesen, dass ich danach wie versteinert war. (Neumann, 2014, S. 17)

Bis in die 1980er Jahre wurden linkshändige Schüler*innen in der Schule gewaltsam gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben. Die Berichte darüber sind schockierend und reichen von der rein verbalen Aufforderung, das „gute Händchen“ zu geben bis hin zum regelrechten Ausprügeln der Händigkeit durch Schläge auf die Hand oder das Festbinden des linken Arms hinter dem Körper (Sattler, 2024a; Sattler, 2024b, Neumann, 2014). Die Schilderungen der Betroffenen lassen nur erahnen, wie traumatisierend die Erlebnisse jeweils waren.


Kulturgeschichtlich ist Rechtshändigkeit nicht nur durchweg zahlenmäßig überlegen (Coren &

Porac, 1977), sondern wurde auch, unter anderem aus religiösen Gründen, stets höher bewertet

(Sattler, 2024a). Auch der alltägliche Sprachgebrauch „manifestiert die jahrhundertlange Bevorzugung der rechten Hand“ (Mühlhäuser et al., 2010, S. 48), da die „rechte Hand“ nahezu gleichbedeutend die „richtige Hand“ meint, weil „recht“ und „richtig“ oftmals synonym gebraucht werden (Steinkopf, 2014; Neumann, 2014; Geiger, 2006). Kein Wunder, dass sie zum Schreiben verwendet werden soll.


Dennoch wurde die Praxis der zwangsweisen Umschulung schon sehr früh scharf kritisiert. So trat schon in den 1930ern beispielsweise Vera Kovarsky dafür ein, dass Linkshändigkeit nicht zu korrigieren sei und „que l’interdietion faite à un enfant gaucher de se servir de lamain gauche provoque toujours chez lui des troubles fonctionnels qui en font un inadapte scolaire.“ [„dass das Verbot an ein linkshändiges Kind, die linke Hand zu benutzen, bei ihm immer funktionelle Störungen verursacht, die es in der Schule benachteiligen“] (Gazette des hôpitaux civils et militaires, 1939, S. 8).


Auch Rett et al. finden 1973 harte Worte und bezeichnen die Umschulung in ihrem Buch Linkshänder – Analyse einer Minderheit als „‚Vergewaltigung‘ des Großhirns“ (S. 10). Das entsprechende Kapitel in diesem schon älteren Buch, in dem die Folgeschäden aufgezeigt werden, trägt die Überschrift „Das körperliche, seelische und geistige Bild des Linkshänders“ (S. 75 ff.) und zeigt uns in erschreckender Weise, wie die Linkshändigkeit damals nicht als solche selbst, sondern immer im Zusammenhang mit den Folgen dieser schulischen Gewalteinwirkung gesehen werden musste.


Die Umerziehung der Händigkeit ist in den Worten von Barbara Sattler „einer der massivsten Eingriffe in das menschliche Gehirn ohne Blutvergießen“ (2024a, S. 21) und ist ein „auch heute noch weithin unterschätzer Eingriff in Psyche, Körper und Gehirn“ (Neumann, 2014, S. 18). All dies trifft natürlich auch auf eine umgeschulte Rechtshändigkeit zu, wenngleich diese kulturell bedingt deutlich geringer ausfällt und daher in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet wird.





1.1.2 Folgen einer Umschulung der Händigkeit


I once lived and moved through life as if I was a shadow of myself, a semblance of the real me. (Randolph, 2007, S. 9)
Ich verstand die Welt nicht mehr. Die Umerziehung war ein Schock. Ich war innerlich erstarrt und ziemlich verunsichert. (Neumann, 2014, S. 28)

Der erzwungene Gebrauch der nicht dominanten Hand, insbesondere beim Schreiben, führt im Gehirn zu „schweren Störungen und Irritationen, die den Menschen individuell meist sehr belasten und Auswirkungen für sein ganzes Leben haben können“ (Sattler, 2024a, S. 21). Die Psychologin und Gründerin der Ersten Deutschen Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, Barbara Sattler, hat in ihrer jahrzehntelangen Praxiserfahrung typische Folgen des Schreibens mit der „falschen“ Hand beobachtet, die sich daraus ergeben, dass ein*e umgeschulte*r Linkshänder*in ständig „weit mehr Kräfte einsetzen muss, um seine Intelligenz zu mobilisieren, als ein unbehinderter, von den Folgen der Umschulung der Händigkeit nicht betroffener Links- oder Rechtshänder“ (Sattler, 2024a, S. 50). Steinkopf (2014) schätzt, dass es sich um „jeden Tag 3 bis 10 Mal so viel Energie“ (S. 39) handelt, die aufgebracht werden muss.



Die Primärfolgen einer Umschulung der Händigkeit können sein:


  • Gedächtnisstörungen (besonders beim Abrufen von Lerninhalten)

  • Konzentrationsstörungen (schnelle Ermüdbarkeit)

  • legasthenische Probleme (Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten)

  • Raum-Lage-Labilität (Links-Rechts-Unsicherheit)

  • feinmotorische Störungen (die sich z. B. im Schriftbild äußern)

  • Sprachstörungen (Stammeln bis Stottern)



Diese Primärfolgen können sich dann in unterschiedliche Sekundärfolgen umsetzen:


  • Minderwertigkeitskomplexe

  • Unsicherheit

  • Zurückgezogenheit

  • Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz

  • Trotzhaltungen, Widerspruchsgeist, Imponier- und Provokationsgehabe (z. B. „Klassenkasperle spielen“ […])

  • unterschiedlich ausgeprägte Verhaltensstörungen

  • Bettnässen und Nägelkauen

  • emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen

  • Störungen im Persönlichkeitsbild


Alle unter Primär- und Sekundärfolgen aufgeführten Schwierigkeiten können selbstverständlich auch ohne eine Umschulung der Händigkeit auftreten, und zwar genauso bei Links- wie bei Rechtshändern. Durch eine zusätzliche Umschulung der Händigkeit werden aber diese Schwierigkeiten, wie die Praxis zeigt, noch unverhältnismäßig verstärkt. (Sattler, 2024, S. 50)



Der Linkshandforscher Hanns v. Rolbeck (2010) geht sogar noch einen Schritt weiter und zeigt auf, dass Haltungsschäden, wie „Fußfehlstellungen, Knie- und Hüftgelenkschmerzen, Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule und des Nackens“ (Mühlhauser et al., 2011, S. 77) aus einer nicht gelebten Händigkeit resultieren können. Rett et al. (1973) nehmen eine mögliche Einteilung der Auswirkungen der Umstellung vor, indem sie vier Gruppen definieren: Zunächst die höher begabten SchülerInnen, denen es mit einem erhöhten Kraftaufwand gelingt, sich „durchzubeißen“ (S. 80). Zweitens jene, die in der Schule erhebliche Probleme haben, aber irgendwie, wenn auch weit unter ihren Möglichkeiten, durchkommen. Drittens die Kinder, die „an diesem Umschulungsversuch zerbrochen sind“ (S. 80) und durch Schulschwänzen oder störendes, unakzeptables Auftreten in der Klasse ins schulische Abseits geraten und als letzte Gruppe Kinder, die derartige Verhaltensauffälligkeiten entwickeln, dass sie „durch Jahre hindurch als krank betrachtet und behandelt werden“ (S. 81).






1.1.3 Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft


I choose to use the term submergee to describe what I once was: a child who grew into adulthood thinking of himself as a right-hander. (Randolph, 2007, S. 1)

Wer glaubt, dass wir heute in einer freien und fortschrittlichen Welt leben, in der nicht mehr umgeschult wird, der irrt sich gewaltig (Steinkopf, 2014). Zwar findet die oben beschriebene Zwangsumschulung nicht mehr statt, doch sind an ihre Stelle weitaus subtilere Mechanismen getreten. Während sanfte Umschulungsversuche durch Überredung und Belohnung nur eine leicht abgeschwächte Form der Gewalt darstellen: „Auch psychisch sanfter Terror bleibt Terror“ (Sattler, 2024a, S. 52), kommt es immer häufiger zu einer Selbstumschulung von Kindern im Zuge einer „Anpassungsmaßnahme an die rechtshändige Gesellschaft“ (S. 52). Die Folgen der Umschulung bleiben die gleichen.


Als Reaktion auf einen Übersichtsartikel im Deutschen Ärzteblatt zum Thema „Besonderheiten der Linkshändigkeit“ (Gutwinski et al., 2011), der das Thema der Umschulung gerade einmal in einem Nebensatz erwähnt, sehen sich Noll und Sattler zu einem Diskussionsbeitrag gezwungen, der sich über mangelnde Aufklärungsarbeit, „dass immer noch per Modell- und Nachahmungsverhalten mit erheblichen Folgeschäden umgeschult wird!“ (Noll et al., 2012, o. S.), beschwert. Das Thema scheint auch bis heute nicht im breiten Bewusstsein angekommen zu sein (Sattler, 2024b).


In seinem autobiographischen Buch „Hidden Handedness“ beschreibt Samuel M. Randolph (2007) als einer der ersten englischsprachigen Autoren seinen Weg aus der Unwissenheit in eine bewusst gelebte Linkshändigkeit. In seiner poetischen Sprache kommt er zu dem Schluss, die gängige Einteilung der Händigkeit von rechts- und linkshändig um zwei Kategorien erweitern zu müssen: „Submergees“ (Abgetauchte) als Menschen, deren Händigkeit in der Kindheit vertauscht wurde und „Emergees“ (Aufgetauchte), die wieder zu ihrer angelegten Händigkeit zurückgefunden haben, denn „both person whose handedness is reversed and the one who returns from this state have developed into a state of handedness for which no name exists“ (Randolph, 2007, S. 5). Sattlers Untersuchungen zur Händigkeitsumschulung und deren Folgen bestätigen, dass sich die Umschulung tiefgreifend auf die Persönlichkeit und den Charakter eines Menschen auswirkt (Sattler, 2024a) Randolph unterscheidet weiter zwischen „normal submergees“und „deep submergees“ (S. 7). Während erstere sich ihrer Umerziehung bewusst sind, wissen die „tief Abgetauchten“ nichts davon. Zu ihnen gehören auch die selbst umgeschulten Kinder, die – um in der poetischen Sprache zu bleiben – in Unwissenheit der Eltern vom rechtshändigen Ozean verschlungen wurde.





1.1.4 Rückschulung


...as I left my submergee prison behind and began to walk down the pathway of recovery (Randolph, 2007, S. 2)

Die Rückkehr zum Schreiben mit der dominanten Hand wird von vielen Betroffenen als große Befreiung empfunden, sollte aber immer professionell begleitet werden: „During the first several months […] I regulary felt like a butterfly shedding its cocoon and emerging to find a new body with wings“ (Randolph, 2007, S. 52) oder wie es Marina Neumann (2014) beschreibt: „Ich hätte nie gedacht, dass Schreiben so viel Spaß machen kann. Das gute Gefühl war von Anfang an da [...] Ich erlebte Entspannung, Freude und eine bis dahin kaum gekannte Leichtigkeit“ (S. 123).






1.2 Grundlagen und aktueller Forschungsstand zur Händigkeit


1.2.1 Hirnasymmetrie


Obwohl der Mensch auf den ersten Blick symmetrisch gebaut ist, wissen wir, das dem in Wirklichkeit nicht so ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: das Herz hat links seinen rechten Platz. Auch im Gehirn finden wir Asymmetrien, die unter anderem auch für die Händigkeit verantwortlich sind. Grundsätzlich ist das menschliche Gehirn in zwei Hemisphären unterteilt, die über den Corpus callosum miteinander verbunden sind. Hemisphärische Asymmetrien sind zunächst „ein Sammelbegriff für alle Arten von Links-Rechts-Unterschieden im Gehirn“ (Ocklenburg, 2022, S. 7). Während strukturelle hemisphärische Asymmetrien die Struktur des Gehirns betreffen, betreffen funktionelle hemisphärische Asymmetrien die Funktion des Gehirns, wobei es so ist, dass die sogenannte dominate Hemisphäre in einem bestimmten Aspekt leistungsfähiger ist als die andere Gehirnhälfte. Auf neuronaler Ebene ist das bekannteste Beispiel vermutlich die Sprachverarbeitung und auf der Verhaltensebene, als sensomotorische Asymmetrie, die Äugigkeit oder Ohrigkeit und als motorische Asymmetrie die Füßigkeit oder eben Händigkeit.


Dabei ist es so, dass es beispielsweise zwar eine gewisse Korrelation zwischen Händigkeit, Füßigkeit und Ohrigkeit gibt, diese jedoch nicht streng miteinander verbunden sind (Rodway et al., 2024). In verschiedenen motorischen Asymmetrien kann also die Dominanz der Gehirnhälften variieren. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die „idea of ‘brainedness’, that most people use only one hemisphere for thinking, the left if they are scientific and the right if they are artistic“ (Mc Manus, 2019, S. 2) ein Mythos ist, wenn auch viel zu weit verbreitet (Macdonald et al., 2017). Das Gehirn ist viel zu komplex, um seine Funktionsweise derart zu vereinfachen.


Die Nervenbahnen, über die die Verbindung zum Körper hergestellt wird, kreuzen sich in den meisten Fällen im oberen Rückenmark, was die kontralaterale Organisation der Gehirnhälften erklärt, nach der immer die gegenüberliegende Gehirnhälfte für eine Körperhälfte zuständig ist: Am Beispiel der Händigkeit bedeutet Rechtshändigkeit eine dominante linke Gehirnhälfte und umgekehrt Linkshändigkeit eine dominante rechte Gehirnhälfte.





1.2.2 Grundlegende Fragen


1.2.2.1 Wie groß ist der Anteil von linkshändigen Menschen?


Nach aktuellem Forschungsstand wird die Linkshändigkeit auf 10,6 % der Weltbevölkerung geschätzt. Allerdings mit dem Zusatz, dass die Zahl, abhängig von der Art und Weise wie Händigkeit gemessen wird, zwischen 9.3 % und 18.1 % variiert (Papadatou-Pastou et al., 2020). Dabei gibt es einen minimalen Unterschied zwischen den Geschlechtern, wonach Männer eher linkshändig sind.


Diese Einschätzung ist allerdings nicht frei von Kritik, denn oft besteht keine Einigkeit darüber, was genau ein valider Test der Händigkeit ist und so formuliert Noll (2012) mit den unerkannten umgeschulten Linkshänder*innen im Hinterkopf, dass man „die ‚Ergebnisse‘ der statistischen Auswertungen gar nicht im Einzelnen zu diskutieren [braucht], so reizvoll und erleuchtend dies auch ist, denn allen diesen Arbeiten fehlt der Nachweis der tatsächlichen Händigkeit!“ (Noll et al., 2012, o. S.)


Verschiedene Experten, die sich insbesondere mit der umgeschulten Händigkeit beschäftigt haben, formulieren angesichts der Tatsache, dass die Linkshändigkeit evolutionär noch lange nicht selektiert wurde (Sattler, 2024a; Gutwinski, 2011), sogar die weitaus steilere These, dass „der Anteil der aktiven Linkshänder […] über mehrere Generationen 50 Prozent erreichen“ (Steinkopf, 2014, S. 28) wird. Rollbeck bestätigt dies aus seiner Erfahrung: „Ich habe die Hirndominanz von 25 000 Menschen von Japan bis Amerika untersucht und eben festgestellt: Sie ist genau gleich verteilt.“ (Rollbeck, 2018, o. S.). Da wissenschaftliche Publikationen zu diesen Aussagen fehlen, bleibt dieser Aspekt vorerst Spekulation, allerdings mit hohem Sprengpotenzial in der Frage, was das für unsere Gesellschaft bedeuten würde. Dass jedenfalls eine „große Dunkelziffer an unerkannten umgeschulten Linkshändern “ (Arnoldussen, 2020, S. 14) berücksichtigt werden muss, ist – in Anbetracht der Eingangskapitel (1.1.1 & 1.1.3) – selbsterklärend. Wie groß, das bleibt die große Frage…


Einer Gleichverteilung widerspricht auch eine verbreitete These, die in dem nicht zu großen Anteil der Linkshändigkeit einen evolutionären Vorteil sieht, der allerdings verschwindet, solange die Gruppe nicht mehr verhältnismäßig selten ist (Faurie & Raymond, 2013). So konnten verschiedene Studien Vorteile in einigen Sportarten nachweisen (Ocklenburg, 2022).





1.2.2.2 Woher kommt die Händigkeit?


Dass die Händigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits von Geburt an festgelegt ist, zeigen zahlreiche Studien. So konnte Hepper in seiner Untersuchung an ungeborenen Föten zeigen, dass bereits im Mutterleib, sowohl bei der Armbewegung (Hepper, 1998) als auch beim Daumenlutschen (Hepper, 1990) eine deutliche Präferenz für die rechte Seite besteht. Darüber hinaus zeigte eine Langzeitstudie, dass diese intranatale Händigkeit sich mit einer Genauigkeit von 93,3 % auch postnatal fortsetzt (Hepper, 2005), wobei die Abweichung hauptsächlich durch Fälle von einem Wechsel des Gebrauchs der linken zur rechten Hand entstanden ist…


Interessanterweise ist die Linkshändigkeit in den ersten beiden Studien ähnlich, wenn nicht sogar niedriger als die aktuellen Schätzungen, was stark gegen die oben erwähnte 50%-These spricht. Es sei denn, Rolbeck (2011) hat Recht mit seiner Vermutung, dass die traumatische Erfahrung einer nicht gelebten Händigkeit und die damit einhergehende Blockierung bestimmter Genanteile sogar weitervererbt werden kann (Hierbei bezieht er ich auf Wettig (2010), der in seinem Beitrag im Hessischen Ärzteblatt „Frühe Bindungserfahrungen beeinflussen Gehirnaktivität“ die Folgen einer frühkindlichen Traumatisierung beschreibt, die tatsächlich ein „Faustschlag auf die Gene“ (S. 223) seien, bei dem bestimmte Genabschnitte durch Methylierung blockiert würden. Dies sei eine „stabile und langlebige Modifikation“, die auch „nach der Zellteilung in den Tochterzellen erhalten bleibt“ (S. 220)).


Die Händigkeitsforschung ist in gewisser Weise eine verzweifelte Suche nach der Ursache von Händigkeit. So muss auch Chris McManus (2019) in seiner Zusammenfassung eines halben Jahrhunderts Händigkeitsforschung feststellen, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als „emphasising how much is still to be understood“ (McManus, 2019, S. 1). Es scheint wahrscheinlich, dass „cerebral asymmetries are under genetic control, probably with multiple genetic loci, only a few of which are now beginning to be found thanks to very large databases that are becoming available“ (S. 1). In einem ersten Schritt konnte inzwischen eine signifikante Assoziation von 41 Stellen im Genom mit Linkshändigkeit nachgewiesen werden (Partida et al., 2021). Ergebnisse von Studien, die nicht-genetische Einflüsse, wie Geburtsort oder Geburtsjahr auf die Händigkeit nachweisen, wie beispielsweise in de Kovel et al. (2019), sind vermutlich eher auf Umschulungen als auf echte Händigkeit zurückzuführen.


Ein weit verbreitetes Modell, das die rechtsschiefe Verteilung der Händigkeit recht gut erklärt, ist die Right-Shift-Theorie von Marian Anett (2002), nach der Händigkeit durch das Zusammenspiel eines Zufallsfaktors und eines Right-Shift-Faktors zur Rechtshändigkeit wird, wobei letzterer eine Normalverteilung nach rechts verschiebt. Händigkeit wird hier als Kontinuum verstanden. Sattler (2024a) weist allerdings in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der „right shift“ möglicherweise „nicht genetischer, sondern soziologischer Natur“ ist (S. 43).






1.2.3 Möglichkeiten der Testung von Händigkeit


An sich gleicht die Forschung einem verzweifelten Jonglieren unterschiedlicher Konzepte und Messmethoden, die vielfach eine Vergleichbarkeit der Erkenntnisse erschweren. In einem Konsenspapier versuchen Vingerhoets et al. (2023) Übereinstimmungen unter insgesamt 106 Experten zu finden. Ironischerweise besteht vielfach der einzige Konsens darin, dass es eine Notwendigkeit für einen Konsens gäbe, vor allem auch, was die Frage nach der Messung von Händigkeit und der Auswertung angeht oder eine einheitlichen Definition verschiedener Begriffe, begonnen mit „Händigkeit“.


Etwas mehr als die Hälfte der Forschenden ist sich allerdings einig, dass eine vollständige Händigkeitsmessung sowohl Handpräferenz, als auch Handgeschicklichkeit misst (Vingerhoets et al., 2023). Handpräferenz bezeichnet dabei die subjektive Präferenz einer Person für eine bestimmte Hand bei bestimmten Aufgaben, während sich Handgeschicklichkeit auf objektiv messbare Leistungsunterschiede zwischen beiden Händen bezieht (Ocklenburg, 2022).





1.2.3.1 Handpräferenztests


Insbesondere in Bezug auf die Kinder besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass „Self-report and parental report via survey are not sufficient indicators of manual biases“ (Vingerhoets et al., 2023, S. 157). Nach Sattler wurde dieses „äußerst verzerrende Vorgehensweise“ (Sattler, 2000a, S. 19) der Selbstdeklaration gerade in den Anfangszeiten der Händigkeitsforschung viel zu häufig angewandt.


Als eines der bekanntesten Präferenzinventare geht das Edinburgh Handedness Inventory (Oldfield, 1971) über die reine Frage nach der Händigkeit hinaus, indem in einem Fragebogen für zehn verschiedene alltägliche Verhaltensweisen nach der bevorzugten Hand gefragt wird. Aus den Antworten wird dann der so genannte Lateralisationsquotient berechnet, der angibt, welche Hand (durch ihr Vorzeichen) wie stark (durch ihre Größe) bevorzugt wird. Im Laufe der Jahre gab es verschiedeneModifikationen dieses Tests, wobei sich die Forscher*innen nicht einig sind, wie viele Verhaltensweisen am besten abgefragt werden und ob auch beidhändige Aktivitäten einbezogen werden sollten (Vingerhoets et al., 2023). Unterschiedliche Fragebögen führen logischerweise zu unterschiedlichen Verteilungen der Händigkeit. Darüber hinaus besteht Uneinigkeit darüber, ob man nur von zwei Kategorien ausgeht oder auch eine Gemischthändigkeit mit einbezieht (Ocklenburg, 2022). Begriffe wie „ambidextrous“ (Beidhändigkeit) und „mixed-handedness“ (Gemischthändigkeit) werden allerdings von Forschenden mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet, was „the need for a glossary of terms“ (Vingerhoets et al., 2023, S. 159) unterstreicht.


Anstelle von Fragen nach der bevorzugten Händigkeit, werden in Verhaltenstest, von denen es auch unzählige verschiedene gibt, bestimmte Handlungsweisen beobachtet (Ocklenburg, 2022).





1.2.3.2 Handgeschicklichkeitstests


Anstelle der subjektiv bevorzugten Hand werden hier objektiv messbare Unterschiede in der Leistung einer Hand gemessen. Als Beispiel sei das Peg-Board-Verfahren von Annett (1992) genannt, bei dem die Aufgabe darin besteht, verschiedene Holzstäbe auf einem Steckbrett zu versetzen. Beim Speed-Tapping-Verfahren messen Kopiez et al. (2010) Geschwindigkeit, Regelmäßigkeit und Ermüdung von beiden Händen und berechnen aus den Daten einen Lateralisationskoeffizienten.



1.2.3.3 Qualitative Händigkeitstests


All diese bisher beschriebenen Tests besitzen die große Schwierigkeit, „dass gerade die Handbevorzugung, die im Test beobachtet werden soll, nicht natürlich, sondern anerzogen sein kann.“ (Arnoldussen, 2020, S. 23). Insbesondere bei umgeschulten Linkshändern ist mit Verfälschung der Testergebnisse „durch die Geübtheit der nicht dominanten Hand“ (S. 23) zu rechnen.


Im Gegensatz zu diesen quantitativen Testverfahren, geht Johanna Barbara Sattler in ihrer Händigkeitsabklärung S-MH (Sattler, 2019) von einem qualitativen Ansatz aus, der grundsätzlich davon ausgeht, dass die Händigkeit durch „reine Beobachtung des Handgebrauchs – weder bezüglich Handpräferenz noch Handleistung – nicht immer ohne weiteres ersichtlich ist.“ (S. 24) Neben verschiedenen Tests wird eine ausführliche Anamnese als unerlässlich angesehen. Ähnliche Ansätze finden sich auch bei Frank Steinkopf sowie Hanns von Rolbeck (vgl. Mühlhäuser et al., 2011).





1.2.3.4 Testergebnisse und die Frage nach dem Instrument


Zwar ist sich die Forschung darin einig, dass „quantitative (continuous) measures of laterality for many research purposes“ (S. 134) bevorzugt werden sollten, allerdings mit der Einschränkung, dass „whether continuous or binary measures are more useful will depend on the specific question(s) of interest“ (Vingerhoets et al., 2023, S. 134). Bei der Frage nach einem Links- oder Rechtsinstrument könnte es sich um eine genau solche Fragestellung handeln. In diesem Zusammenhang ist auch die Kritik von Andrea Arnoldussen (2020) an quantitativen Händigkeitsmessungen zu sehen, wenn Sie v

or falschen Implikationen warnt:


Wenn nach der S-MH Methodik ein Kind ‚linkshändig‘ ist, würde ein/e BeraterIn gegebenenfalls empfehlen, ein Instrument links herum zu spielen. Wenn nach einer anderen Methode das Kind nur als „schwach ausgeprägter Linkshänder“ gesehen wird, käme es für dieses womöglich nicht in Frage, ein Linksinstrument zu spielen. (S. 25) Man geht bei einer quantitativ gemessenen „schwachen Linkshändigkeit“ von einer besseren Anpassungsfähigkeit aus. Doch beim Schreibenlernen fragt niemand nach dem Grad der Händigkeit und entscheidet dementsprechend auch nicht, dass ein linkshändiges Kind bei einer „schwachen Linkshändigkeit“ doch mit der rechten Hand schreiben muss. Beim Musizieren ist dies aufgrund der bimanuellen Tätigkeit natürlich nicht so trivial, weshalb sich der gesamte zweite Teil dieser Arbeit mit dieser Frage beschäftigen wird.


Nichtsdestotrotz bleibt es eine Grundsatzfrage, ob Händigkeit ein Entweder-Oder ist, worauf die Forschung zu Umschulungsfolgen von Johanna Barbara Sattler (2024a) hinweisen, oder doch ein kontinuierliches Spektrum, wovon die Wissenschaft (die bis heute noch kein einheitliches Verfahren zur Bestimmung der Händigkeit vorweisen kann) ausgeht (Vingerhoets et al., 2023). Wenn 41 Stellen im Genom im Zusammenhang mit Linkshändigkeit stehen (Partida et al., 2021), liegt auch eine genetische Veranlagung zu einer schwachen oder starken Ausprägung auf der Hand. Aber wenn allein schon die reine echte Händigkeit schwer zu testen ist, wie soll dann eine Ausprägung vernünftig getestet werden? Hier ist es umso schwerer Anlage und Training zu unterscheiden. Während die Idee einer unterschiedlichen Ausprägung durchaus erklären kann, wieso eine Gruppe Linkshänder*innen weniger von Umschulungsfolgen (auch am Instrument) betroffen ist, wie eine andere Gruppe, sollte dieser Gedanke aber die Bedeutung der dominanten Hand nicht nihilieren.




1.2.4 Definition von Händigkeit


Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass das übliche Vorgehen, um die Händigkeit festzustellen, darin bestehe „to observe an individual performing each act while measuring the quality of performance on such features as speed, fluency, accuracy, and force, and, when the same act is repeatedly performed, by its consistency“ (Vingerhoets, 2023, S. 151).


Neben einer Überlegenheit der dominanten Hand hinsichtlich Geschwindigkeit, Geläufigkeit, Genauigkeit, Kraft und Konstanz ist allerdings noch ein weiterer Aspekt maßgeblich von Bedeutung: Händigkeit ist „auch eine Sache des Gefühls“ (Arnoldussen, 2020, S. 18). Die dominante ‚starke‘ Hand ist die Arbeits- oder auch Führungshand, die nicht dominante ‚schwache‘ Hand ist die Hilfs- oder Haltehand. Die Führungshand hat mehr Kraft, Ausdauer und ist feinmotorisch geschickter als die Hilfshand. Die dominante Hand reagiert schneller, ist ausdrucksfähiger, und mit ihr zu hantieren, zu malen, zu schreiben und zu musizieren erzeugt ein subjektiv gutes Gefühl [Hervorhebung hinzugefügt] (Neumann, 2014, S. 20).





1.2.5 Bildgebende Verfahren


Auch wenn bildgebende Verfahren aufgrund der Kosten und des Aufwands kein sinnvolles Mittel für die „alltägliche" Bestimmung der Händigkeit darstellen (Kopiez & Galley, 2010), konnten sie doch sehr interessante Erkenntnisse liefern.


So konnten Klöppel et al. (2007) mittels funktioneller Magnetresonanztomographie zeigen, dass „representations in higher-order sensorimotor areas of the dominant hemisphere […] cannot be switched by educational training.“ S. 7853). Vielmehr ist es so, dass beim Schreiben mit der nichtdominanten Hand die Bewegung zwar, wie in 1.2.1 erläutert, von der kontralateralen Hemisphäre gesteuert wird, gleichzeitig aber die dominante Hemisphäre aktiv bleibt. Sattler (2024a) beschreibt dies vereinfacht so, dass „die Planungsebene (Chef) lebenslang in der dominanten Hirnhälfte bestehen bleibt und nicht verschoben werden kann“ (S. 47), während die Ausführung immer von der kontralateralen Hemisphäre gesteuert wird. Bei umgeschulten Linkshänder*innen müssen also „die Planungs- und die Ausführungsebene dauerhaft über deutlich weitere Distanzen miteinander in Kontakt treten“ (S. 47). Ocklenburg (2023) vergleicht es mit einer Arbeitskollegin, die plötzlich in ein anderes Gebäude versetzt wird, weswegen man nun ständig hin- und herlaufen muss, um miteinander zu kommunizieren, was einen unnötigen zusätzlichen Energieaufwand bedeutet.


Auch wenn der viel verwendete Begriff „Plastizität des Gehirns“, dazu verleiten mag, dem Gehirn eine problemlose Anpassung an alle möglichen Einflüsse zuzuschreiben, so zeigt sich, dass die Anpassung in Bezug auf die Händigkeit in der Tat möglich ist, allerdings ganz sicher nicht problemlos! Die Umschulung zerstört ein effektives Arbeitsverhältnis und macht daraus eine Sisyphosarbeit, in dem Sinn, dass es eine sinnlose und vergebliche Anstrengung ist, wissentlich oder unwissentlich aus der nicht-dominanten Hand eine dominante machen zu wollen. Diese Anstrengung führt nie zum Ziel , denn die „übergeordneten Schaltstellen [bleiben] nach wie vor in der dominanten [...] Gehirnhälfte aktiv“ (Sattler, 2024a, S. 46).





1.2.6 „Ticken“ linkshändige Menschen anders?


Die dominante Hand verbindet uns mit der Umwelt: Mit ihr tasten wir, mit ihr fühlen wir und mit ihr „begreifen“ wir die Welt. Im Idealfall machen das rechtshändige Menschen mit rechts und linkshändige Menschen mit links. Dieser Unterschied ist strukturell im Gehirn angelegt, weswegen sich die Frage aufdrängt, ob links- und rechtshändige Menschen sich möglicherweise in mehr als nur dem Handgebrauch unterscheiden. Nachfolgende Übersicht wird leider auch hier zeigen müssen, wie wenig wissenschaftlich bekannt ist. Anstatt die Linkshändigkeit jedoch genau zu untersuchen, werden linkshändige Menschen im Zuge einer einheitlichen Stichprobe „oft davon ausgeschlossen, als Versuchspersonen an psychologischen Experimenten teilzunehmen“ (Ocklenburg, 2022, S. VII).


Wenn es um die Frage geht, inwieweit sich Links- und Rechtshänder*innen unterscheiden, zeigen Studien eine stärkere Tendenz zur Beidhändigkeit bei Linkshänder*innen: „Left‐handers showed a smaller performance difference between hands, suggesting an advantage in using their non-preferred hand“ (Judge & Stirling, 2003, S. 297).


Darüber hinaus wurde in mehreren Studien ein voluminöseres Corpus callosum bei Linkshändern beschrieben, was sich jedoch nicht vollständig zu bestätigen scheint (Raaf & Westerhausen, 2022; Westerhausen & Papdatou-Pastou, 2021). In früheren Publikationen wurden das größere Corpus callosum und die möglicherweise damit einhergehende hemisphärische Vernetzung mit Vorteilen in bestimmten kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht, da einige Studien einen höheren IQ oder bessere mathematische Fähigkeiten mit Linkshändigkeit in Verbindung brachten (Gutwinski et al., 2011). Eine aktuelle Metastudie zeigt jedoch, dass Linkshänder nicht intelligenter sind als Rechtshänder (Ntolka & Papadatou-Pastou, 2018).


Die Vorstellung, dass Linkshänder kreativer sind, ist weit verbreitet. Eine groß angelegte Studie, bei der mehr als 20.000 Personen mit Hilfe von Online-Fragebögen befragt wurden, kommt jedoch zu dem Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen Linkshändigkeit und Kreativität gibt (van der Feen et al., 2020). Allerdings wurde in dieser Studie nur die Dauer der Beschäftigung mit künstlerischen Aktivitäten untersucht, was „nicht unbedingt das beste Maß für die Qualität des künstlerischen Ausdrucks ist“ (Ocklenburg, 2022, S. 25).


Barbara Sattler formuliert es vorsichtiger und sieht anstelle einer vorschnellen Aussage einer höheren Kreativität, eine „andere Art, was zu machen, was zu denken und umzusetzen“ (Sattler, 2024b, 14:31-14:37). In ihren langjährigen Beobachtungen haben sich „immer deutlicher unterschiedliche Verhaltensweisen zwischen Linkshändern und Rechtshändern herauskristallisiert“ (Sattler, 2003, S. 10).


Ocklenburg (2022) kommt zu dem Schluss, dass es noch „mehr Studien zur Händigkeit und Persönlichkeit benötigt, bevor eine klare Aussage gemacht werden kann“ (S. 25) und Barbara Sattler sieht die große Schwierigkeit der Forschung darin, saubere Untersuchungsgruppen zu bekommen. Unerkannte umgeschulte Linkshänder*innen in der Gruppe der Rechtshänder*innen verzerren das Ergebnis (Sattler, 2000a, S. 46). Wenn etwas aus dem wissenschaftlichen Diskurs hervorgeht, dann, dass in vielerlei Hinsicht noch unglaublich viel unklar ist.






2 Musizieren mit Links!?



2.1 Aktueller Forschungsstand


2.1.1 Linksspielen in Geschichte (und Gegenwart)


Was haben Jimi Hendrix, Carl Philipp Emanuel Bach, Charlie Chaplin und der Teufel gemeinsam? – Sie spielen ihr Instrument mit links…


Die kulturell bedingte Bewertung von links und rechts reicht bis in das Instrumentalspiel hinein.

So soll in der Kathedrale von Amiens eine Figur zu finden sein, die einen Teufel darstellt, der sein Instrument mit der linken Hand hält: „Wir essen, grüßen, schwören und streichen die Geige mit der rechten Hand, nur der Teufel fiedelt mit der linken.“ (zitiert nach Sovak, 1968, S. 50). Heute finden wir gerade in der Popularmusik – mit Uncommon Sound hat John Engel schon 2006 eine zweibändige und insgesamt 920 Seiten umfassende Anthologie über linkshändige Gitarristen geschaffen – und auch in der Volksmusik eine größere Liberalisierung mit namhaften links spielenden Instrumentalisten (Ertl, 2005), aber auch ein Blick in die Geschichte der klassischen Musik führt - trotz ihrer heute vielleicht starr erscheinenden Normen und Konventionen - zu überraschenden Erkenntnissen.


Christine Vogel (2016) verfolgt in ihrer Masterarbeit die Spuren linksseitigen Instrumentalspiels in der Musikgeschichte. Während historische Blasinstrumente die Möglichkeit einer freien Wahl der Spielrichtung bautechnisch oftmals explizit ermöglichen, etwa durch beidseitige Klappen bei historischen Oboen, und die Option eines linksseitigen Instrumentalspiels auch in verschiedenen Traktaten zu Blasinstrumenten zumindest vereinzelt erwähnt wird, finden sich solche Hinweise bei Streichinstrumenten weitaus seltener. Abweichungen von der Norm scheinen neben der Händigkeit aber auch in regionalen Traditionen, akustischen Vorteilen oder optischen Symmetrien begründet gewesen zu sein. Neben ikonographischen Darstellungen zum linkshändigen Instrumentalspiel (auf die auch Sattler, 2005 & Geiger, 2006 verweisen), von denen es zwar einige gibt, die aber gleichzeitig aus verschiedenen Gründen meist nicht als detailgetreue Abbildungen der realistischen Musiziersituation gesehen werden können, sind erhaltene linksseitige Instrumente, von denen Vogel (2016) ganze 107 auflistet, die besten und „greifbarsten Belege linksseitigen Instrumentalspiels in der Geschichte“ (S.41). Allerdings stößt der Versuch einer vollständigen Auflistung an Grenzen, da die Seitigkeit der Instrumente in den Sammlungen nur selten konsequent erfasst wird, sodass die Zahl der bekannten erhaltenen Linksinstrumente in Zukunft weiter stark zunehmen wird.


Bei Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788), William Crotch (1775–1847) und Robert Sidney Pratten (1842–1868) wird in den Quellen über ein Linksstreichen in der Kindheit berichtet, wobei allerdings im Dunkeln liegt, ob dieses auch beibehalten wurde. Gesichert ist es jedenfalls beim Flötisten Michel Blavet (1700–1768), während die Verweise auf Tranquille Berbeguir (1782–1838), Carlo Michele Alessio Sola (1786–1845) mit Vorsicht zugenießen sind und bei Carl Doppler (1825–1900) schlicht falsch sind. Richard Barth (1850–1923), Rudolf Kolisch (1896–1978) und Rivka Mandelkern (1916–2004) sind Beispiele für professionelleMusiker, die aufgrund von einer Kindheitsverletzung links spielen mussten (Vogel, 2016).


Während wir in der Geschichte – sicher auch aus Gründen der Überlieferung – nur vereinzelt Beispiele für eine von der Norm abweichende Instrumentenhaltung finden, ist dies heute ganz anders: Großes Medienecho erregten die Versuche zweier Pianisten, die sich um die Jahrhundertwende ein linkshändiges Instrument bauen ließen: Chris Seed 1998 mit einem Hammerklavier der Utrechter Klavierbaufirma Poletti und Ruinman und Geza Loso 2001 mit einem Konzertflügel der Leipziger Firma Blüthner.


Das Engagement des Vereins Linksgespielt e. V. zeigt, dass es sich im klassischen Bereich längst nicht mehr um „Einzelfälle“ handelt, sondern dass es immer mehr Musiker*Innen gibt, für die es Ausdruck ihrer Identität ist, ihr Instrument linksseitig zu spielen. So sind auf der Homepage des Verbandes bereits an die 100 linkspielende Instrumentalist*innen aufgeführt, Tendenz steigend, von denen sich zahlreiche auch in Interviews vorstellen. Neben Linkshänder*innen und umgeschulten Linkshänder*innen, die ihr Instrument entweder umgelernt oder von Anfang an linksseitig begonnen haben (was interessanterweise vor allem bei Streicher*innen der Fall ist) sind es auch in ein paar Fällen rechtshändige Menschen, die aufgrund auf ein Linksinstrument umsteigen mussten.





2.1.2 Musikpädagogische Diskussion


Die Veröffentlichungen zum Thema Händigkeit im Zusammenhang mit Musikinstrumenten lassen sich mehr oder weniger an einer Hand abzählen. Einer der ersten, der die Forderung nach händigkeitsgerechten Instrumenten öffentlich formulierte, war der Instrumentalpädagoge Walter Mengler, zunächst in verschiedenen Artikeln (2004a, 2004b, 2009) und dann in seinem wegweisenden Buch Musizieren mit Links (2010), auf das sich fast alle nachfolgenden Publikationen beziehen. Angeregt durch Mengler setzten sich auch andere Autor*innen und Instrumentalist*innen mit der Thematik auseinander (Rothe, 2004; Geiger, 2006; Oehlschlägel, 2011; Ware & Schulte, 2011; Music, 2014), während auf der anderen Seite deutlicher Widerspruch formuliert wurde, etwa in einem Artikel von Stefan Schäuchl (2008) oder den Studien der Forschungsgruppe um Reiner Kopiez in Hannover (Kopiez et al., 2012), auf die im Folgenden noch eingegangen wird.


Neben den in zahlreichen Zeitungsartikeln dokumentierten Erfahrungswerten von Chris Seed und Geza Loso, die überhaupt erst zu dem Bau dieser gespiegelten Instrumente geführt haben, gibt es weitere Pioniere, die sich teilweise mitten im Musikstudium zum Umlernen auf ein Linksinstrument entschlossen haben: Zum Beispiel Ulrike Scheuchl, die 2006 in ihrer Diplomarbeit, angeregt durch ihren eigenen Umlernprozess, neben theoretischen Überlegungen zur Notwendigkeit von Linksinstrumenten auch eine Anleitung für den Umlernprozess zu formulieren versuchte, und Maria Holzeis-Augustin, die 2012 in einem Interview die Beweggründe und positiven Auswirkungen äußerst plastisch darstellte. Die meisten anderen Instrumentalist*innen mit eigenen Umlernerfahrungen wurden – meines Wissens – erst durch die Arbeit von Arnoldussen (2020) und natürlich durch den Verein Linksgespielt (seit 2021) bekannt.


Was die Linkshänder*innen, die auf ein Linksinstrument umsteigen, eint, ist die Erfahrung einer "Stimmigkeit" und das damit verbundene Wohlgefühl beim Spiel auf dem Instrument, das ihrer Händigkeit entspricht. Geiger (2006) und Arnoldussen (2020) versuchen dies zu erklären, indem sie das Spiel als Linkshänder auf einem Rechtsinstrument mit dem unnatürlichen Schreiben mit der nicht-dominanten rechten Hand vergleichen und ähnliche Umstellungsfolgen (wie in 1.1.2) nachweisen. Das Umlernen am Instrument entspricht demnach dem Rückschulen beim Schreiben mit einem ähnlichen Gefühl der Befreiung.


Instrumentenspezifische Publikationen befassen sich mit linksseitigem Gitarren- (Engel, 2006), Violin- und Fiddlespiel (Thomson, 2003), sowie dem Schlagzeug (Bittner, 2017).





2.1.3 Wissenschaftliche Studien


2.1.3.1 Linksspielen in Wissenschaftlichen Untersuchungen


Während, wie bereits erwähnt, Vogel (2016) mit Bezug auf historische Instrumente und Engel (2006) mit Bezug auf Gitarrist*innen versuchen, linksseitiges Instrumentalspiel historisch zu erfassen, gibt es einige Studien, die linkshändige Musiker*innen wissenschaftlich untersuchen.


So versucht Christman (2010) einen Zusammenhang herzustellen, wie Jimi Hendrix’s mixedhandedness […] led to both his groundbreaking style of guitar playing and the engaging and provocative nature of his songs and lyrics“ (S. 15), während Jäncke in zwei Studien (Jäncke, 2002; Jäncke et al., 2006) den linksspielenden Pianisten Chris Seed untersucht und zu dem Schluss kommt, dass „C.S.'s pattern of functional asymmetry, characterized by audio– motor control using a right-sided network could be a factor in his exceptional piano-playing ability on both the standard and reversed keyboard.“ (Jäncke et al., 2006, S. 337). Bis vergleichbare Untersuchungen vorliegen, müssen diese Ergebnisse jedoch zunächst als Einzelfall betrachtet werden (Kopiez & Galley, 2011).


Sehr interessant ist dagegen eine Untersuchung von Laeng & Park (1999), die zeigen konnten, dass linkshändige Musiker*innen ohne pianistische Vorerfahrung Vorteile auf einer invertierten Tastatur am Klavier zeigen, „when the fast moving portion of the score (melody) is played by their preferred left hand, while the slow-moving musical background (harmony) is played with the right hand.“ (S.372) Bei pianistischer Vorerfahrung verschwindet dieser Effekt jedoch. Kopiez & Galley (2010) fassen das Ergebnis folgendermaßen zusammen: „Anfängliche Startvorteile von Linkshändern auf einer invertierten Klaviatur werden offensichtlich durch etwas Übung auf einer normalen Klaviatur kompensiert“ (S. 127).


Eine Studie von Trolldenier (2015), zu der allerdings keine wissenschaftliche Publikation, sondern nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu finden ist, kommt zu dem Ergebnis, dass linkshändige Kinder beim Klavierlernen auf einer invertierten Tastatur schneller vorankommen als die Vergleichsgruppe auf einer normalen Tastatur.




2.1.3.2 Anteil der Linkshändigkeit unter Musizierenden


Schon früh interessierten sich Wissenschaftler*innen für die Frage, wie hoch der Anteil an Linkshänder*innen unter professionellen Musiker*innen ist. Schon früh wurde vermutet, dass die rechtsseitige Norm der Instrumente einen Einfluss darauf haben könnte, allerdings finden Oldfield (1969), Götestam (1990), Hering et al. (1995) und Laeng & Park (1999) keine


Hinweise auf einen geringeren Anteil an Linkshänder*Innen im Vergleich zur Normalbevölkerung. Lediglich Aggleton et al. (1994) finden Unterschiede, allerdings zugunsten der Linkshänder*innen, deren Anteil sowohl bei Instrumentalist*innen als auch bei Komponist*innen und Chorsänger*innen etwas höher ist als in der Normalbevölkerung. Da diese leichte Überrepräsentation in allen drei kreativen Gruppen zu finden ist, scheint sie zunächst unabhängig vom Instrument zu sein. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Studie sind im Zusammenhang mit den (in 1.2.2. erläuterten) Unterschieden bei der Messung der Händigkeit zu sehen.


Während diese Studien alle auf Präferenzinventaren basieren, ermitteln Kopiez et al. (2010) die Händigkeit mittels eines Speed-Tapping-Verfahrens, bei dem sie aus Geschwindigkeit, Gleichmäßigkeit und Ermüdung auf die Händigkeit schließen, und kommen damit zu überraschend höheren Ergebnissen, was den Anteil der Linkshändigkeit unter Instrumentalist*innen betrifft, sowohl im Vergleich zu den Vorgängerstudien als auch im Vergleich zur Normalbevölkerung: 30,8 % unter Musiker*innen gegenüber 21,7 % in der Bevölkerung, wobei Streicher*innen mit 35,6 % sogar noch höher liegen als Pianist*innen mit 27,1 %. Kopiez wertet diesen erhöhten Anteil eindeutig als Gegenbeweis zu Mengler (2004, 2009, 2010) und formuliert: „Wäre die Argumentation mancher Instrumentalpädagogen richtig, dann sollte sich das Spiel linkshändiger Musiker auf nicht-invertierten Instrumenten nachteilig auswirken“ (Kopiez & Galley, 2010, S. 123).


Ein erhöhter Anteil der Linkshändigkeit unter Musikstudierenden deutet also darauf hin, dass Linkshänder*innen am Rechtsinstrument nicht benachteiligt sind. Es bleibt jedoch die Frage, ob diese Tatsache eines erhöhten linkshändigen Anteils möglicherweise von anderen Faktoren abhängt, die mit der Händigkeit zusammenhängen. Wie bereits beschreiben, fehlen jedoch aussagekräftige Studien darüber, ob sich Linkshänder*innen und Rechtshänder*ìnnen beispielsweise hinsichtlich Persönlichkeitsmerkmalen unterscheiden.


Ein bemerkenswerter Aspekt der Studie ist der überraschend erhöhte Anteil von Linkshändigkeit „im Vergleich zur Selbstdeklaration: Er liegt um ungefähr das Dreifache höher“ (Kopiez & Galley, 2010, S.111), was sicherlich eine Annäherung an die (in 1.2.2.1. beschriebene) Dunkelziffer an umgeschulte Linkshänder*innen darstellt.




2.1.3.3 Vorteil von Linkshändigkeit in musikalischen Teilleistungen


Einige Wissenschaftler stellen Unterschiede zwischen Rechts- und Linkshänder*innen hinsichtlich musikalischer Teilbereiche da: Während Hassler & Birbaumer (1988) einen Zusammenhang zwischen Händigkeit und kreativen musikalischen Fähigkeiten wie Komponieren oder Improvisieren fanden, allerdings nur bei männlichen Probanden, konnte Deutsch (1978) feststellen, dass linkshändige Proband*innen in einem Tonhöhengedächtnistest signifikant besser abschnitten. Auch Dane & Gümüştekin (2003) konnten einen Einfluss der Händigkeit auf das Hörvermögen feststellen.

In dieser Tradition stellen Kopiez et al. (2006) bei Pianisten ein „superiorachievement in sightreading of non-right-handers with a performance advantage of 22%“ (S. 1084) fest. Je geschickter die linke Hand, desto besser das Blattspiel. Allerdings wird diese Studie von Arnoldussen (2020) dahingehend stark kritisiert, dass die Stichprobe mit nur sieben linkshändigen Probanden viel zu klein sei, um repräsentative Aussagen treffen zu können.




2.1.3.4 No disadvantage for left-handed musicians (Kopiez et al., 2012)


Die vermutlich relevanteste Aussage zu Linkshänder*innen in Bezug auf Rechtsinstrument formuliert dann eine Studie von Kopiez et al. aus dem Jahr 2012: Bei einer Befragung von 47 Musikstudierenden und Lehrkräften, davon 23 Pianist*innen und 24 Streicher*innen, konnten keine körperlichen Beschwerden von linskshändigen Instrumentalist*innen (n = 26) festgestellt werden. Darüber hinaus konnte in einem zweiten Teil der Studie gezeigt werden, dass bei rechtshändigen (n = 10), als auch linkshändigen (n = 9) Pianist*innen die rechte Hand eine größere Gleichmäßigkeit zeigt, als die linke Hand. Das Ergebnis ist „sowohl in objektiven Messungen des Leistungsvermögens als auch in subjektiven Auskünften professioneller Musiker [gibt es] keine negativen Effekte des Spiels von Nicht-Rechtshändern auf rechtshändigen Instrumenten“ (Kopiez & Galley, 2010, S. 131) Konsequenterweise wird geschlussfolgert, dass „professional musicians adapt to the standard playing position regardless of their objective handedness“ (Kopiez et al., 2012, S. 358). Dass es in einzeln Fällen allerdings anders sein könne, sei nicht auszuschließen.

Ausgehend von den Ergebnissen der Studie, aber auch unter Verweis auf „strong traditions in the classical music business“ (S. 377) insbesondere bei Streichinstrumenten, raten die Autoren zu großer Vorsicht bei „premature recommendations to instrumental beginners to invert the playing position“ (S. 377).




2.1.3.5 Wissenschaft vs. Erfahrungsberichte


In der Pressemitteilung zur letztgenannten Studie ist die Formulierung allerdings etwas ungeschickt, da hier die Ergebnisse der Studie für Streicher*innen und Pianist*innen direkt auf alle Instrumente übertragen werden. In einer Zusammenstellung zum linksseitigem Instrumentalspiel, die sich unter anderem ebenfalls auf die (damals noch unveröffentlichten) Ergebnisse dieser Studie bezieht, finden Kopiez & Galley (2010) ebenfalls wesentlich radikalere Aussagen, wenn sie z. B. formulieren: „Vorschnelle Entscheidungen und Empfehlungen zum invertierten Instrumentenspiel bergen aus unserer Sicht ein unkalkulierbares Risiko.“ (S. 132) und „Ohne weitere fundierte Daten […] verbietet sich das leichtfertige Treffen folgenreicher Entscheidungen für invertierte Instrumente oder gar für eine ‚Umschulung‘ durch Instrumentallehrer aus ethischen Gründen von selbst“ (S. 129).


Befürworter*innen des linksseitigen Instrumentalspiels würden diesen Formulierungen, angesichts der vielen positiven Erfahrungsberichte vom Spiel und Wechsel auf ein Linksinstrument, vermutlich entgegenhalten, dass gerade aufgrund fehlender Untersuchungen linkshändige Instrumentalanfänger*innen mit Linksinstrumenten beginnen sollten, da nicht absehbar sei, wie sich der krafttechnische Mehraufwand beim Spiel auf einem Rechtsinstrument wie beim Schreiben in Form von Umschulungsfolgen niederschlagen könnte. Darüber hinaus kritisiert Arnoldussen (2020), dass das Ergebnis auf der Untersuchung von fast ausschließlich jungen Instrumentalist*innen im Studium beruht. Es sei davon auszugehen, dass die Proband*innen in dieser Phase keine Nachteile empfinden oder diese gegebenenfalls kompensieren können.


Vor dem Hintergrund, dass Arnoldussen in diesem Zusammenhang betont, dass „eine Übertragung dieser Ergebnisse auf die Pädagogik mit InstrumentalanfängerInnen unzulässig“ (S. 102) ist, wären Untersuchungen im Anfängerbereich oder auch bei linkshändigen Musiker*innen im Berufsleben, die möglicherweise die Probleme am Rechtsinstrument, die Mengler (2004, 2010) zu den Forderungen nach Linksinstrumenten veranlasst haben, aufgrund eines fortgeschrittenen Alters nicht mehr kompensieren können. Aufschlussreich wäre sicherlich auch eine Untersuchung des Spiels auf Links- und Rechtsinstrumenten im Vergleich, beispielsweise hinsichtlich der Gehirnaktivität oder der Muskelanspannung sowohl bei links- als auch bei rechtshändigen Musiker*innen.

Es bleibt aber zu betonen, dass viele Probleme am Instrument nicht unbedingt mit der Händigkeit zusammenhängen und so individuell sind, wie der Handgebrauch eines jeden einzelnen Menschen.






2.2 Qualitative Inhaltsanalyse von fünf halb-strukturierten Interviews zur Beschreibung des Umlernprozesses von Rechts- auf Linksinstrument


Vor dem Hintergrund, dass es nur wenig wissenschaftlichen Untersuchungen zum linksseitigen Instrumentalspiel gibt, möchte ich in dieser Arbeit anhand von fünf Erfahrungsberichten auf den Umstieg von einem Rechts- auf ein Linksinstrument eingehen und dabei den Umlernprozess hinsichtlich Bewegründen, Herausforderungen und Erfolgsaussichten analysieren. Hintergrund ist die Überlegung, dass das „gute Gefühl“ (vgl. 1.1.4), durch das sich das Umlernen des Schreibens und damit auch die Händigkeit (vgl. 1.2.4) charakterisieren lässt.


Es ist eben nicht im wissenschaftlichen Sinne qualitativ erfassbar, sondern nur in den Erfahrungen einzelner linksseitig spielender Instrumentalist*innen sind Hinweise darauf zu finden, ob Empfehlungen zum linksseitigen Instrumentenspiel bei Anfänger*innen unter Umständen, nicht nur im Einzelfall, sondern generell sinnvoll sein könnten.


Hierbei beschränke ich mich auf die Erfahrungen von umgeschulten Linkshänder*innen, die sowohl mit der rechten Hand geschrieben, als auch das Instrumentalspiel rechtsseitig gespielt haben, bis sie sich irgendwann ihre Linkshändigkeit bewusst wurden und beides umgestellt bzw. dies versucht haben. Grund liegt zum einen darin, eine einheitliche Stichprobe zu erhalten und zum anderen, auch wenn dies eine Hypothese bleiben muss, in der Überlegung, dass von linkshändigen Menschen, die sich ihr ganzes Leben lang ihrer Händigkeit bewusst sind und sich schon immer an eine „rechtsgepolte Welt“ (Geiger, 2006, S. 8) angepasst haben, der Unterschied möglicherweise in vielen Fällen nicht so gravierend empfunden wird wie von umgeschulten Linkshänder*innen. Anders formuliert: Möglicherweise sind umgeschulte Linkshänder*innen, die lange Zeit nichts von ihrer Linkshändigkeit wussten, sensibler für die Vorurteile und Unannehmlichkeiten, denen Linkshänder*innen in einer überwiegend rechtshändigen Gesellschaft ausgesetzt sind, da sie nicht die Möglichkeit hatten, sich von klein auf daran zu gewöhnen. Ein neutraler Blick von außen, ist dies sicher nicht, aber eine Untersuchung von Linkshänder*innen und umgeschulten Linkshänder*innen im Vergleich muss weiteren Arbeiten überlassen werden.





2.2.1 Vorgehen und Methodik


Durch die Beschränkung auf umgeschulte Linkshänder*innen, die ihr Instrument umgelernt haben, war die Auswahl an Musiker*innen, die ich hinsichtlich ihrer Erfahrungen interviewen konnte, erst einmal ziemlich begrenzt. Glücklicherweise konnte ich jedoch auf die Vorarbeit des Vereins Linksgespielt e. V. zurückgreifen, der auf seiner Homepage bereits zahlreiche Interviews veröffentlicht hat, deren Fragen auch als Vorlage für meinen eigenen Fragenkatalog

dienten. Freundlicherweise konnte mir die Vorsitzende Christine Vogel auch einige Kontakte vermitteln, sodass ich vier Instrumentalistinnen und einen Instrumentalisten interviewen konnte.


Bei der Auswahl der befragten Musiker*innen ging es mir – soweit es mir möglich war – darum ein möglichst breites Spektrum an verschiedenen Instrumenten und verschiedenen Altersgruppen abzustecken, um möglichst allgemeingültige Aussagen machen zu können. So sind neben Violine, Violoncello und Querflöte, auch das Klavier und Schlagzeug vertreten (meine eigenen Erfahrungen mit der Trompete sind, wie im Vorwort erwähnt, nicht enthalten, werden aber in einem persönlichen Nachwort beschrieben). Das Alter der Befragten reicht von 21 bis 61 Jahren, wobei die Linkshändigkeit im Alter zwischen 15 und 48 Jahren entdeckt und eine Rückschulung begonnen wurde. Das Umlernen am Instrument erfolgte entweder sofort oder bis zu drei Jahre später. Bis auf eine Ausnahme spielen die Musiker*innen heute nur noch linksseitig.


Die Interviewfragen basierten neben konkreten Fragen zum Umlernprozess auf eigenen Überlegungen zu schematischen Stationen auf dem Weg dorthin (erste Erfahrung mit dem Instrument – Erkennen der eigenen Linkshändigkeit – Rückschulung beim Schreiben – Kennenlernen von Linksinstrumenten – erste Erfahrung auf einem Linksinstrument – weiteres Spielen des Rechtsinstruments – endgültige Entscheidung für den Umlernprozess). Es zeigte sich jedoch schnell, dass die einzelnen Erfahrungen sehr viel individueller waren, weshalb in der folgenden Analyse auch andere Kategorien gebildet werden.


Die halbstrukturierten Interviews variierten in ihrer Dauer zwischen 35 und 67 Minuten und werden im Folgenden nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2022) ausgewertet. Während sich die Analyse auf das Spielgefühl vor und nach dem Umlernen im Vergleich und den Umlernprozess mit seinen begünstigenden und erschwerenden Faktoren fokussiert, werde ich davor die Instrumentalist*innen mit ihrer individuellen Geschichte vorstellen. Da keine der fünf Biographien ohne den entscheidenden Moment der allerersten Erfahrung auf einem Linksinstrument verständlich ist, werde ich die Beschreibung desselben in einem ersten Schritt vorziehen.





2.2.2 Der Moment das erste Mal auf einem Linksinstrument zu spielen


Dann habe ich den Bogen in die linke Hand genommen und ein paar Töne gemacht. Und das war […] ein mystisches Erlebnis quasi. Das kann ich echt nicht anders beschreiben. Da war ein derartiger Energiestrom durch meinen linken Arm, wie so ein Befreiungsschlag und ein Aufatmen durch den Körper, sodass in dem Moment eigentlich alles klar war. Ich habe das dann nie wieder ernsthaft infrage gestellt. Ich habe dann gedacht: „Ach Gott, ich bin Linkshänderin, sowas! Also, das glaube ich jetzt nicht! Aber die Reaktion war so stark. – Renata Schoepflin (S. 2)
Also da bekam ich die Rückmeldung, ich kann mich noch erinnern […] nach dieser Probe saß ich im Auto, wollte nach Hause fahren und mein ganzer Körper sagte so: „Wow, na endlich hast du die Handbremse gelöst!“ Ich spürte meine Arme anders und ich spürte meinen ganzen Körper anders. – Peer Oehlschlägel (S. 2) Diese körperliche Reaktion, […] dieser Aha-Effekt, […] diese Rückmeldung: Mein Körper sagt so: „Hurra, endlich hast du's kapiert!" – Peer Oehlschlägel (S. 5)
Es war unglaublich. Es hat am Anfang natürlich alles gar nicht funktioniert, weil die Hände plötzlich das Gegenteilige machen müssen […] Aber es war trotzdem von Beginn an so ein unbeschreibliches Gefühl, die Flöte auf meiner dominanten Seite und an meinem linken Ohr zu haben. Ich habe die Flöte dann noch Tage lang später gespürt, weil das auf einmal irgendwie alles so klar war und so angenehm, frei und natürlich – Silke Becker (S. 2)
Es hat sich richtig seltsam angefühlt, aber das hat gleich musikalisch geklungen, […] was ich mit der rechten Hand nicht so wirklich hingekriegt hab. Also, das klingt jetzt doof, ich mein, ich hab's auch studiert […] es hat sich einfach nicht richtig angefühlt, aber richtig angehört. So kann man das, glaub ich, sagen. Ich hab trotzdem weitergemacht, eben weil sich's so musikalisch angehört hat… Das war ja voll cool! – Juliane Linder (S. 3)
[…] und ich dachte: „boah, jetzt müsste doch eigentlich alles super sein!“. Und in gewisser Weise war es das auch, weil alles an der richtigen Stelle war, aber ich konnte halt trotzdem noch keinen geraden Ton spielen. – Sophia Klinke (S. 3)

„Mystisches Erlebnis“, „Befreiungsschlag“, „Handbremse gelöst“, „Aha-Erlebnis“, „unglaublich“, „noch Tage lang später gespürt“, „gleich musikalisch geklungen“, „alles an der richtigen Stelle“…

Die Erfahrung, das Instrument linksseitig zu spielen, ist in allen fünf Berichten ein einschneidendes Erlebnis, das irgendwie schwer in Worte zu fassen scheint. Auch wenn die Beschreibung im Einzelnen variiert, so wird doch in allen Berichten in irgendeiner Weise ein Gefühl, im Einklang mit dem Instrument zu sein, das sich auf unterschiedliche Weise äußert, beschrieben. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich die Ungewohntheit der neuen Spielweise und die damit verbundenen spieltechnischen Schwierigkeiten, die aus der Ungeübtheit der ungewohnten neuen Aufgabenverteilung zwischen den Händen entstehen.

Im Spannungsfeld dieser beiden Pole sind vermutlich alle derartigen Berichte anzusiedeln. Die genaue Gewichtung hängt vermutlich von verschiedenen Parametern ab: Neben dem Instrument mit seiner jeweils ganz individuellen Handhabung ist es sicherlich auch die Erwartungshaltung, sowie die Dauer und das Ausmaß der Leidensgeschichte mit dem Rechtsinstrument im Vorfeld.


Also ich hab einfach gedacht: „Oh, ich probiere jetzt mal, ob ich Mendelssohn Konzert spielen kann.“ Ich dachte, vielleicht geht’s ja und es ging überhaupt nicht. […] Damals war das echt der Schock zu merken, es geht im Prinzip gar nichts, auch wenn es richtig ist, so rumzuspielen. – Sophia Klinke (S. 3)

Während ein Hauptteil der Berichte aus den Interviews deutlich positiv geprägt sind, sticht vor allem die Erfahrung von Sophia Klinke in dieser Hinsicht heraus: Ein „Schock“, feststellen zu müssen, dass beim ersten Versuch andersrum zu spielen gar nichts funktioniert. Sicherlich ist dies auch dem Instrument geschuldet, denn im Gegensatz zu Klavier, Schlagzeug und Querflöte haben die Hände beim Streichinstrument grundsätzlich andere Aufgaben, so dass es nahe liegt, dass eine Umstellung hier wesentlich schwieriger ist. Aber auch in diesem Fall ist es das Erspüren eines ganz neuen Spielgefühls, das diesen Bericht mit allen anderen verbindet. Händigkeit ist eben eine Sache des Gefühls (vgl. 1.2.4) und so stellt die erste Erfahrung am Linksinstrument ein allererstes Erahnen bzw. Erleben von genau diesem „subjektiv guten Gefühl“ (Neumann, 2014) dar. Oder anders formuliert: Der erste Schritt „zurück zum Wohlgefühl“ (Arnoldussen, 2020, S. 193).


So wie es bei der Rückschulung beim Schreiben im Ersten Moment nicht möglich ist, direkt drauflos zu schreiben, ist es auch bei der ersten Erfahrung am Linksinstrument eben nicht möglich, direkt ein Mendelssohn-Konzert zu spielen. Was aber in beiden Fällen möglich ist, ist die Wahrnehmung eines neuen Wohlgefühls, wenn auch vielleicht verbunden mit einer Ahnung, wie lang der Weg noch werden wird…





2.2.3 Die Instrumentalist*innen und die Instrumente


Vor der eigentlichen Analyse des Umlernprozesses und einem Vergleich der Erfahrungen erscheint es sinnvoll, die befragten Musiker*innen mit ihren Lebenswegen einzeln vorzustellen und darauf einzugehen, welche Rolle die Händigkeit bei den entsprechenden Instrumenten spielt. Auf eine vollständige Analyse aller Instrumente wurde in dieser Arbeit verzichtet, da diese bei vielen Autoren zu finden ist (Ertl, 2005; Mengler, 2010; Vogel, 2016; Arnoldussen, 2020).

Um ein vollständiges Bild zeichnen zu können, werden bei den folgenden biografischen Aspekten Informationen und teilweise auch Zitate aus den jeweiligen Interviews auf der Seite

Linksgespielt.de mit einbezogen.




a) Renata Schoepflin / Cello


Nach ihrem Cellostudium in Freiburg und Washington, D.C., arbeitet Renata Schoepflin seit 1992 als freischaffende Cellistin in Neustadt an der Weinstraße.

Ich bin als Rechtshänderin aufgewachsen. Ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass ich Linkshänderin bin. – R. S. (S. 1)

Aber dann verzweifelt sie beim Unterrichten, einmal an einem Schüler.

Er hat was gemacht in der Stunde, hat super funktioniert, er geht nach Hause, er übt es auch und kommt zurück und er kann es nicht, kann es wieder nicht. Wir können da jede Stunde dasselbe erarbeiten. Und irgendwann war das so auffällig, dass ich dachte, da stimmt was nicht. Also der war Linkshänder […] und hatte ein Jahr lang mindestens im Unterricht zum Anfang den Bogen immer in die linke Hand genommen. Und ich habe immer gesagt, „Patrick, der Bogen kommt in die rechte Hand.“ Weißt du, anstatt mal zu kapieren, dass das einen Grund hat, dass er seinen Bogen in die linke Hand nimmt. – R. S. (S. 1)

Jedenfalls spricht sie mit ihrer Mutter, die selbst umgeschulte Linkshänderin ist, über die Schwierigkeiten des Jungen, aber auch über ihre eigenen Probleme mit dem Instrument, denn auch sie hat das Gefühl, immer wieder gegen eine „gläserne Wand“ zu laufen, und ihre Mutter empfiehlt ihr daraufhin das Buch Der umgeschulte Linkshänder von Johanna Barbara Sattler.

Die Geschichten, die sie da erzählt hat, haben mich dermaßen an mich erinnert, dass ich dachte, also, jetzt muss ich das mal ausprobieren. – R. S. (S. 1)

Kurzerhand nimmt Renata Schoepflin den Bogen in die linke Hand und beginnt zu streichen. Ein Aha-Erlebnis, ein „Befreiungsschlag“, der sie nicht nur ihre Linkshändigkeit erkennen lässt, sondern auch, dass die falsche Spielweise die Ursache für all ihre bisherigen Probleme mit dem Cello war. Im Alter von 48 Jahren beschließt sie, das Cellospiel, linksherum, für sie richtigherum, neu zu lernen. Ein langwieriger, mühsamer und zugleich sehr befreiender Prozess.

Jetzt allmählich komme ich in so einen Zustand, dass ich sagen kann, also ich kann wieder halbwegs professionell spielen. Und das sind, das sind mal gut zehn Jahre gewesen. – R. S. (S. 3)


Bedeutung der Händigkeit beim Cello


Grundsätzlich unterscheidet sich das Instrumentalspiel vom Schreiben dadurch, dass nicht nur eine Hand, sondern beide Hände mit sehr anspruchsvollen Aufgaben beteiligt sind. Während bei einigen Instrumenten klar ist, welche Hand die führende Rolle übernimmt, ist dies bei Streichinstrumenten etwas komplizierter. Der „Faszination der schnellen Fingerbewegungen auf dem Griffbrett“ (S. 75) kann man sich bei der Beobachtung eines virtuosen Streicherspiels nur schwer entziehen, während der Bogen meist im Hintergrund bleibt (Mengeler, 2010). Da dieser offensichtlich feinmotorisch sehr anspruchsvolle Part in der traditionellen Spielweise der linken Hand zugeordnet ist, liegt es nahe, Linkshänder*innen einen Vorteil auf dem rechten Instrument zuzuschreiben (so auch Kopiez & Galley, 2010). Es stellt sich aber die Frage: Warum sollte sich „in einer so rechtshändig dominierten Kultur ausgerechnet die komplexe Kunst des Streichinstrumentenspiels zum Nachteil der RechtshänderInnen entwickelt haben“ (Vogel, 2016, S. 18)?


Während die Greifhand durch schnelle Griffbewegungen die Tonerzeugung vorbereitet, ist es die Bogenhand, die den Ton erzeugt bzw. mit der die Musik gestaltet wird. Walter Mengler (2010) sieht darin, dass erstens der Bogen, besonders auch bei den tiefen Steichinstrumenten, mehr Kraft erfordert als das Greifen, dass zweitens die Bogenführung in vielen Fällen, z. B. beim Lagenwechsel, das Klangergebnis entscheidend beeinflusst und dass drittens der der Bogen mit seinem emotionalen Ausdruck für diese Aufgaben den Einsatz der dominanten Hand erfordert.


Der linksseitig spielende Violinist Martial Gauthier (2022) formuliert es folgendermaßen: „Music intention, sound, personality, phrasing are 99 % in the bow. That’s why I think the bow has to be taken in your guiding hand. We all look for a natural posture, so why should we start with a handicap?” (Linksgespielt, o. S.)



  • Bow technique is so difficult for all of us! Music intention, sound, personality, phrasing are 99 % in the bow. That’s why I think the bow has to be taken in your guiding hand. We all look for a natural posture, so why should we start with a handicap? – Martial Gauthier (2022, o. S.)


  • Both hands are of course of equal importance, but the movements of the bow hand are longer, and have endless variations of contrasts, subtile nuances and is therefore dominant for me. – Terje Moe Hansen (2022, o. S.)


  • Der Bogen trägt den Klang nach außen. Das Vibrato der Greifhand, bei mir also der rechten Hand, ist auch ein Ausdrucksmittel, definitiv! Aber ich denke, dass die Gestaltung des Tones und so... – das macht der Bogen auf der Geige! Das ist Tonmalerei! Die Erzeugung des Tons ist die Seele des Geigenspiels.“ – Franz Slaboch (Linksgespielt 2021, o. S.)


  • Den Bogenarm empfinde ich als einen großen Atemfluss, der in erster Linie für den Ausdruck verantwortlich ist. [...] Allein die Vorstellung, mit rechts zu streichen, fühlt sich extrem schräg an. – Moritz Heller (Linksgespielt 2023, o. S.)


  • Aus gewachsener Erfahrung – das war nicht von Anfang an klar – ist für mich eindeutig, dass die Bogenhand ungemein wichtig für den Klang ist. Alles, was mit Ausdruck zu tun hat, passiert maßgeblich dort. – Elfriede Stahmer (Linksgespielt o. S.)


  • Ist jemand linkshändig, kann der Bogen mit dieser linken Hand, diesem linken Arm viel besser geführt werden und das ist eminent wichtig. Gewicht geben und wieder nehmen, Bogenwechsel ausführen, Melodien führen und fühlen… Die ganze Fühl-Welt geht unter, wenn sich die dominante Hand nicht ausdrücken darf, denn der musikalische »Plan« liegt im Bogen. Dort ist der Ursprung. – Benno Huber (Linksgespielt 2023, o. S.)




b) Silke Becker / Querflöte


Silke Becker studiert im vierten Semester Querflöte an der HfM Karlsruhe, natürlich linksherum, wie es für sie inzwischen selbstverständlich ist.

Mittlerweile fühle ich mich so wohl und angekommen auf der Linksflöte, dass es mir selbst oft gar nicht mehr bewusst ist, welchen besonderen Weg ich gegangen bin und ich staune immer wieder selbst darüber, wenn es mir einfällt. (Becker, 2021, o. S.)

Als Jüngste unter den Befragten begann auch sie mit dem Instrumentalspiel der Norm entsprechend rechtsseitig, damals noch in dem Glauben, Rechtshänderin zu sein. Ihre damalige Klavierlehrerin, selbst eine umgeschulte Linkshänderin, machte sie jedoch schon relativ früh darauf aufmerksam, dass sie Linkshänderin sein könnte, was ein Test dann auch bestätigte. Noch während der Schulzeit, im Alter von 14 Jahren, begann Silke Becker mit links zu schreiben. An ein Umlernen auf die Querflöte denkt sie noch lange nicht.

Ein Umlernen auf der Flöte interessierte mich damals überhaupt nicht. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum ich das machen sollte. (Becker, 2021, o. S.)

Doch das ändert sich schlagartig, als sie mit 15 zufällig ein Linksinstrument sieht und ausprobiert: ein „unbeschreibliches Gefühl“, aber zunächst ohne große Folgen. Motiviert durch ihre Erfolge auf der Rechtsflöte stellt sich die Frage eines kompletten Umlernens zunächst nicht. Dennoch spielt sie immer wieder auf dem linken Instrument, weil es „einfach guttat und sehr viel Spaß machte“ (2021, o. S.).

Dann kam ich nach einem Jahr zu dem Entschluss, dass ich aufhören will, Rechtsrum zu spielen. Weil es linksrum einfach so viel besser ist. […] In dem Moment war mir auch egal, ob ich es überhaupt dann schaffe, Musik zu studieren oder sonst was, aber mir war einfach klar, dass ich es rechtsrum einfach nicht mehr kann. Und sowieso nicht will. Und dass das Umlernen überhaupt der einzige Weg ist, wenn ich wirklich Musik machen will. – S. B. (S. 3)

Das Umlernen fällt ihr nicht schwer und im nächsten Jahr spielt sie direkt wieder in einer Arbeitsphase des Landesjugendorchester mit, natürlich linksherum.

Ich glaube, ich habe sozusagen großes Glück im Unglück gehabt, dass ich verhältnismäßig noch in einem jungen Alter angefangen haben umzulernen. – S.B. (S. 4)

Neben Flöte studiert Silke Becker heute auch Klavier und interessiert sich sehr für historische Instrumente, wie die Traversflöte und das Cembalo.




Bedeutung der Händigkeit bei der Querflöte


Allen Holzblasinstrumenten ist gemeinsam, dass beide Hände, zunächst reduziert auf das Drücken der Klappen, das Gleiche tun. Gleichzeitig ist aber immer eine Hand außen und eine Hand innen. Rechte Hand unten, linke Hand oben, so die gängige Norm. Kein Wunder, trägt doch vor allem die untere Hand das Gewicht (Mengler, 2010). Wird aber die nicht dominante Hand gezwungen, diese Aufgabe zu übernehmen, "entsteht eine Unruhe und Unsicherheit im Körper, die sich [beispielsweise] ganz deutlich auf die Atmung auswirkt.“ (Geiger, 2004, S. 60). Auch bei der Querflöte ist es so, „dass die […] dominante Hand von außen für die Stabilität des Instrumentes sorgt“ (Arnoldussen, 2020, S. 185). Wird die Querflöte nicht händigkeitsgerecht gespielt, kommt es zu großen Unsicherheiten in der Haltung (Holzeis-Augustin, 2012) und zu einer lebenslangen Suche nach der richtigen Haltung und einem „Gefühl der Richtigkeit“ (S. 22), wie es Karoline Renner (2020) in ihrem lesenswerten Artikel Verkehrte Flöten im Orchester? beschreibt.


Auch wenn noch viele weitere Aspekte zu erwähnen wären, wie zum Beispiel, dass die wahrnehmungsmäßig bevorzugte, dominante Hand das Instrument von einem weiter außen liegenden Hebelpunkt aus viel besser führt und spürt (Geiger, 2004, S. 60), sollte es gerade bei der Querflöte schon rein optisch klar sein, dass es nicht egal ist, in welche Richtung sie gehalten wird...




c) Peer Oehlschlägel / Schlagzeug


Peer Oelschlägel ist Schlagzeuglehrer an der Kreismusikschule Nordfriesland und leitet die Zweigstellen auf Sylt und in Niebüll. Das Schlagzeug spielt er schon genauso lange rechts wie links: 21 Jahre. Genauso lange ist es auch her, dass er als umgeschulter Linkshänder im Alter von 36 Jahren seine Linkshändigkeit entdeckte. Auslöser war die Frage seiner Schwiegermutter, ob er sich sicher sei, nicht vielleicht Linkshänder zu sein. Mit dem bereits mehrfach erwähnten Buch Der umgeschulte Linkshänder von Barbara Sattler bestätigte sich diese Vermutung.

[…] weil ich in jungen Jahren auch einige gesundheitliche Probleme hatte. […] Und in diesem Buch fand ich eben, quasi 90 Prozent meiner Krankengeschichte in diesen Zusammenhang gestellt. Und dann war das für mich klar, dass ich wohl Linkshänder bin. – P. O. (S. 1)

Mit 15 Jahren begann er Schlagzeug zu spielen, zunächst autodidaktisch und natürlich rechts herum. Doch plötzlich stellt sich die Frage, ob das wirklich richtig herum für ihn ist.

Dann das Umstellen mit der Handschrift und in dem […] in dem Jahr, in dem entscheidenden Jahr, habe ich – ich habe damals in einer Rock'n'Roll-Band gespielt – eine Saison lang […] mit der linken Hand geführt. Aber noch rechtsfüßig gespielt. Also beim Drumset, nennt man das Open-Handed- Playing. […] Das ging auch erstaunlich gut. Also das ging eigentlich fast genauso gut wie vorher so zu spielen. Am Ende der Saison habe ich mich dann entschieden, auf linksfüßig umzustellen. Das war in einer Probe mit einem Jazz. Und das war der entscheidende Kick. Das war der Durchbruch. – P. O. (S. 2)

Dieser Moment, auch die Füße umzustellen, war für Peer Oehlschlägel eine tiefgreifende, körperlich befreiende, Erfahrung, die ihn darin bestärkt genau diesen Weg weiter zu gehen. Mittlerweile ist er als linksspielender Schlagzeuger in diversen Jazz-, Rock-’n’-Roll- und Big- Band-Formationen im hohen Norden Schleswig-Holsteins unterwegs und durfte als Schlagzeuglehrer schon hunderte Schüler*innen unterrichten.



Bedeutung der Händigkeit am Drumset


Im Gegensatz zu den klassischen Orchesterinstrumenten stellt Walter Mengler (2010) in seinem Grundlagenwerk Musizieren mit Links in Bezug auf die Schlaginstrumente fest, dass hier die Konventionen nicht so starr und die Möglichkeiten viel größer sind: „Das Drumset ist ein Paradies für die Entfaltung der Händigkeit“ (S. 111). Denn kaum eine andere Instrumentenfamilie lässt „derartig viele Freiräume offen und legt [sich] so wenig fest, was Aufbau und Spielweise angeht“ (Oehlschlägel, 2011, o. S.). Dementsprechend lässt es sich ganz geschickt sowohl rechts- als auch linksseitig einrichten.


Grundsätzlich sollten bei jeglicher Art des Trommelns betonte Schläge mit der dominanten Hand ausgeführt werden, denn wenn das nicht der Fall ist, „können sich weder die Hand-Hand- Koordination, noch der Rhythmus stabilisieren“ (Arnoldussen, 2020, S. 180). Das Drumset ist in seinem standardisierten Aufbau somit erst einmal auf Rechtshänder ausgerichtet: „die Abfolge der Schläge wird von der rechten Hand angeführt, der Bewegungsablauf ist nach rechts ausgerichtet, und der rechte Fuß bedient die Bassdrum“ (S. 180).


Die auf den ersten Blick einfachste bzw. unaufwendigste Möglichkeit für Linkshänder*innen am Rechtsset ist das sogenannte Open-Handed-Playing, bei dem die Hände nicht mehr über Kreuz gespielt werden, sondern die dominante linke Hand am Hi-Hat oder Ride-Becken führen kann. Allerdings ist bei dieser Spielweise ein zeitweiser Führungswechsel notwendig, wenn „bei Tom Fills und bei Akzenten auf den Crashbecken […] dann vorübergehend die rechte Hand die Führung [übernimmt]“ (Oehlschlägel, 2011, o.S.). Da hiermit eine gewisse Unsicherheit einhergeht, spricht sich beispielsweise Thomas Bittner (2017) in seinem Buch Linkshänder am Schlagzeug gegen eine solche Spielweise aus.


Eine wirklich durchgehende Führung mit der linken Hand ist nur am Linksset möglich, was alleine durch ein Umstellen in einen spiegelbildlichen Aufbau realisiert werden kann (nur das Doppelpedal müsste ggf. in einer entsprechenden Linksausführung angeschafft werden). Neben der Händigkeit spielt am Drumset die Füßigkeit eine ebenso entscheidende Rolle. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es so, dass „hand preference and footpreference, tend to be lateralized in the same direction (left or right).” (Rodway et al., 2024, S.1), allerdings ist es nicht so, dass eine Linkshändigkeit automatisch eine Linksfüßigkeit bedeutet (Rodway et al., 2024; Packheiser et al., 2020). Zur Thematik der Händigkeit und möglichen Definitions- und Messproblemen ließen sich vermutlich ebenso viele Seiten füllen. Insbesondere wäre zu erklären, warum sich die motorische Dominanz „unterhalb der Gürtellinie plötzlich umkehr[en]“ sollte (Oehlschlaegel, 2011, o. S).




d) Sophia Klinke / Violine


Sophia Klinke hatte das ganz klare Ziel, den Weg einer Orchestermusikerin einzuschlagen. Mit der Violine schloss sie 2018 ihren Bachelorstudiengang an der HMTM Hannover ab und spielte bereits im Jahr zuvor als Praktikantin im MDR-Sinfonieorchester Leipzig. Alles schien in Richtung Orchester zu laufen, doch dann entdeckte Sie zufällig ihre Linkshändigkeit, wodurch sich ihr ganzes Leben komplett veränderte.

Nachdem ich meine Linkshändigkeit entdeckt habe, war mir irgendwie klar, ich kann nicht den ganzen Tag viele Stunden entgegen meiner Händigkeit spielen und musizieren. Und da hat sich das schon sehr verändert, weil mein alter Berufsweg einfach nicht mehr in Frage kam. – S. K. (S. 1)

Nach ihrem Abschluss spielt sie erst einmal gar nicht mehr. Auch ein Linksinstrument, dass sie 2019 bei einem Geigenbauer ausprobieren kann, bringt nicht die erhoffte Befreiung.

Es ging natürlich nichts. Und das war erstmal so ein Schock, dass ich dann über ein Jahr erstmal überhaupt nichts von der Linksgeige wissen wollte. Aber ich wusste gleichzeitig, mit rechts geht es auch nicht so weiter wie bisher. – S. K. (S. 3)

Erst 2020 beginnt sie langsam, auf ein Linksinstrument umzulernen, und mit der Zeit stellen sich dann auch die erhofften Veränderungen ein, auch wenn es noch ein langer Weg ist. Umlernen braucht eben seine Zeit, vor allem bei einem Streichinstrument...

Jetzt, eigentlich müsste ich jetzt nochmal klein sein und von vorne anfangen und dann ordentlich studieren. Dann wäre das sehr viel erfolgreicher und irgendwie stabiler verlaufen das Ganze. – S.K. (S. 5)

Als einzige der fünf Interviewten greift Sophia Klinke heute ab und zu zum Rechtsinstrument. Einfach, weil sie dort rein technisch noch mehr Möglichkeiten hat als auf dem Linksinstrument, das sie erst seit wenigen Jahren spielt.

Also das ist irgendwie immer so ein Konflikt, den diese ganze Sache mit sich bringt: Konflikt rechtsrum spielen, weil es irgendwie nicht das Wahre ist und Konflikt linksrum spielen, weil es nicht klingt. Also zumindest noch nicht. Und das vielleicht erst in zehn Jahren so sein wird. – S. K. (S. 4)

Sophia Klinke ist Mitinitiatorin von Linksgespielt und setzt sich in Vorträgen und Workshops im deutschsprachigen Raum für ein händigkeitsgerechtes Instrumentalspiel ein. Außerdem unterrichtete sie Violine an der Musikschule Friedrichsdorf.



Bedeutung der Händigkeit bei der Violine


Siehe Ausführungen zum Violoncello (unter 2.2.3.a)




e) Juliane Linder / Klavier


Nach ihrem Studium an der HfM Trossingen bei Prof. Wolfgang Wagenhäuser, unterrichtet Juliane Linder seit 2013 in Frankfurt und Umgebung mit viel Leidenschaft Klavier. Als umgeschulte Linkshänderin war ihr immer schon bewusst, dass sie Linkshänderin sein könnte. Vor allem durch ein Erlebnis in der Schulzeit:

Und dann habe ich mit rechts und mit links geschrieben und habe es gar nicht gemerkt, dass ich die Hand immer wechsle. Und irgendwann meinte dann meine Lehrerin zu mir: „Du, Juliane, du sollst dich mal entscheiden, ob du mit rechts oder mit links schreiben möchtest.“ […] Und meine Eltern meinten: […] „Die meisten Leute sind Rechtshänder, also wirst du wahrscheinlich auch Rechtshänderin sein.“ Naja, und dann habe ich mit der rechten Hand geschrieben. – J. L. (S. 1)

In jungen Jahren wird sie von ihrer Klavierlehrerin angesprochen, ob sie Linkshänderin ist und stellt sich diese Frage Jahre später auch selbst auf einem Thai-Chi-Kurs, woraufhin sie zu einer Händigkeitsberaterin geht…

Also, ich schreibe tatsächlich noch mit der rechten Hand. Ich versuche mich immer noch umzuschulen. Ich habe vor fünf Jahren damit angefangen. Und das hat nicht so richtig funktioniert… – J. L. (S. 1)

2022 gibt der Verein Linksgespielt einen Workshop an der Musikschule Oberursel zu linksseitigem Instrumentalspiel (mit dabei übrigens Silke Becker und Sophia Klinke), der Juliane Linder dazu veranlasst, sich nach Möglichkeiten nach linksseitigem Spiel am Klavier zu erkunden.

Und dann […] habe ich eben mit dem Klavier angefangen. Und da ist mir tatsächlich bewusster geworden, dass ich tatsächlich Linkshänderin sein muss. Jetzt, wo das echt einfach, so einen enormen Unterschied macht… ich bin Linkshänderin! Also ich habe echt immer gezweifelt. Aber jetzt, bin ich mir doch sicher. – J. L. (S. 2)

Heute ist es für Juliane Linder eine „Herzensangelegenheit, Klavierunterricht sowohl auf der konventionellen als auch auf der gespiegelten Tastatur anzubieten“, wie sie auf ihrer Lehrerseite vermerkt, weil sie selbst feststellen musste, „welch bedeutenden Unterschied es macht, seiner Natur entsprechend zu musizieren“ (Linder, 2024, o.S.).



Bedeutung der Händigkeit am Klavier


Auf den ersten Blick spielt es beim Klavierspiel keine Rolle, welches die dominante Hand ist, da beide Hände ähnliche Bewegungen ausführen und nicht nur beide Hände, sondern wirklich alle Finger gleichermaßen beteiligt sind. Dennoch ist die Klavierliteratur „weitgehend für den rechtshändigen Pianisten maßgeschneidert“ (Mengler, 2010, S.117). Schon aus akustischen Gründen ist die rechte Hand in der hohen Lage für ein wesentlich virtuoseres und schnelleres Spiel prädestiniert als die linke Hand, deren tiefere Töne das Ohr nur bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit trennscharf wahrnehmen kann. Das Gleiche gilt für vollgriffige Akkorde (Mengler, 2010).


Auch wenn sich das Klavierrepertoire nicht darauf reduzieren lässt, beschreibt die vereinfachte Formel Melodie rechts, Begleitung links doch treffend die Grundtendenz aller Klavierliteratur. Kopiez et al. (2012) konnten die Rechtslastigkeit der klassischen Klavierliteratur schon rein rechnerisch nachweisen:


We calculated the note counts (in the printed score) from three 19th century collections of piano music: Beethoven’s 32 Piano sonatas (notes in the left hand: 122,650; notes in the right hand: 133,064); Chopin’s 24 Preludes Op. 28 (notes in the left hand: 9,290; notes in the right hand: 9,415); and Chopin’s collection of 52 Mazurkas (notes in the left hand: 26,308; notes in the right hand: 28,087). (S. 375)


Nichtsdestotrotz beweisen zahlreiche linkshändige Pianist*innen, dass es möglich ist, auch mit einer nicht dominanten rechten Hand auf höchstem Niveau tätig zu sein. Eine Anpassung scheint möglich, doch bleibt die Frage, was es für die Musiker*innen selbst bedeutet, sich anpassen zu müssen.


„Und natürlich kann ich zwar Konzerte spielen, und dies auch mit Erfolg und positiven Kritiken, aber das für mich wirklich Wichtige ist: Die direkte, authentische und emotional ehrliche Kommunikation ist auf dem Rechsthänderinstrument nur eingeschränkt und unter großem mentalen und psychischen Zusatzaufwand möglich“ (Verena Börsch, zitiert nach Arnoldussen, 2020, S. 158)

Diese Aussage der linkshändigen Pianistin und Pädagogin Verena Börsch könnte für die Erfahrung von unzähligen linkshändigen Musiker*innen auf dem Rechtsinstrument stehen, doch während bei fast allen Instrumentengruppen ein Wechsel auf ein Linksinstrument denkbar ist, bereitet das Klavier doch Kopfzerbrechen. Zwar gibt es linkshändige Modelle auf dem Markt, doch bleiben diese „kuriose Ausnahmen“ (Smits, 2017, S.129). Nur am elektrischen Klavier lässt sich die Tastatur mit einem sogenannten Keyboard-Mirror leicht spiegeln, auch wenn dies oft mit klanglichen Einschränkungen verbunden ist.


Leider muss man feststellen, dass ein linkshändiges Klavierspiel im Studium und im Konzertbetrieb aufgrund des Mangels an Instrumenten eigentlich undenkbar ist und sich daran trotz der Bemühungen von Geza Loso und Chris Seed nicht viel geändert hat. Daraus den Schluss zu ziehen, dass das Klavier in der Frage der Linkshänder-Instrumente keine Rolle spielen sollte, wäre falsch, es ist zunächst nur die Folge einer viel zu starren Tradition. Im Interview beschreibt Julian Linder ihre Erfahrung am Linksklavier folgendermaßen: „die Aufgabenverteilung der Hände […] fühlt sich jetzt tatsächlich ausgeglichen an. Also, dass die eine Hand genauso viel macht, wie sie soll und die andere Hand auch und keiner ist überfordert oder unterfordert“.


Die Frage nach händigkeitsgerechten Instrumenten dreht sich nicht um ein „möglich oder unmöglich, sondern primär um die ausbalancierte Aufgabenverteilung von dominanter und nicht dominanter Hand“ (Mengler, 2010, S.112) und hier scheint es mit zunehmender Anzahl an Erfahrungsberichten tatsächlich so zu sein, dass eine invertierte Tastatur für Linkshänder*innen genau richtig ist. Da dies im Anfängerbereich bereits wissenschaftlich untersucht wurde (Lang & Park, 1999), bleibt zu hoffen, dass sich die starre Konvention vielleicht eines Tages lockert und sich das Wohlbefinden nicht mehr lange dem Joch der Tradition beugen muss...






2.2.4 Analyse


Aus den Interviews ergaben sich fünf völlig unterschiedliche Geschichten, sowohl was die Rückschulung beim Schreiben als auch den Verlauf und die Wahrnehmung des Umlernprozesses betrifft. Obwohl sich die Beschreibungen in vielerlei Hinsicht unterscheiden, ist es doch erstaunlich, wie alle im Kern die gleiche Geschichte erzählen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass bestimmte Aspekte, auch wenn sie für das Verständnis der Gesamtthematik sehr relevant erscheinen, manchmal nur in einem Interview erwähnt wurden.


Da sich diese Aspekte aber oft nahtlos in das Gesamtbild einfügen, kann davon ausgegangen werden, dass dies, auch wenn sie in anderen Interviews nicht erwähnt werden, sicherlich nicht bedeutet, dass sie in diesen Fällen keine Rolle gespielt haben, sondern nur, dass sie vielleicht nicht oder nicht als so gravierend wahrgenommen wurden oder einfach andere Prioritäten gesetzt wurden. Ich werde daher an geeigneten Stellen auch solche Gesichtspunkte einfließen lassen, auch wenn es Einzelaspekte sind.


Da es im Folgenden um den Versuch einer allgemeinen Charakterisierung des Umlernprozesses und des Musizierens mit Links geht, werde ich im Folgenden die Namen mit Initialen abkürzen, um, während eine Zuordnung möglich bleibt, den Fokus ein wenig von der persönlichen Erfahrung weg zu nehmen. Zumal die Aussagen oft im Kern das Gleiche meinen und sich nur in der Wortwahl unterscheiden.




(1) Händigkeit und Rückschulung beim Schreiben


Auch wenn dies nicht im Mittelpunkt der Auswertung steht, ist es doch interessant zu sehen, dass sich alle Befragten darin einig sind, dass der Rückschulungsprozess beim Schreiben eine große Veränderung im eigenen Leben mit sich gebracht hat.

Ja, erstmal war ein großer Umbruch damit verbunden, aber auch eine Klarheit. Ich habe mich irgendwie geistig klarer gefühlt und generell richtiger – S. K. (S. 1)
Ich entwickle einen persönlichen Bezug zu den Menschen um mich herum […] wo ich sagen würde, das bin ich und nicht irgendeine Rolle, die ich spiele – R. S. (S. 9)
Hätte ich das damals nicht gemacht, wäre ich sicherlich nicht der Mensch, der ich heute bin. […] ich wurde in der Zeit einfach offener, kommunikativer und selbstbewusster – S. B. (S. 1)
Ich fühlte mich nicht richtig, so im Kopf: Gedächtnisprobleme ständig, Wortfindungsstörungen und Konzentrationsprobleme […] und dann war ich schon froh, dass ich irgendwann darauf gekommen bin, dass es an der Linkshändigkeit liegen könnte und das hat sich jetzt auch bestätigt […] man gewinnt sehr stark an Lebensqualität. – J. L. (S. 4)
Dann ist es auch […] ein Effekt dieser Rückschulung, dass man sich selbst mehr vertraut. Man hört auf seinen Körper. Der Körper sagt: klare Sache, das ist besser so.– P. O. (S. 7)

Sicherlich ist es zu einfach, alle persönlichen Veränderungen auf die Händigkeit zurückzuführen, zumal in einigen Fällen offensichtlich auch äußere Umstände bzw. Umbrüche eine Rolle spielen (P. O. & S. K.), doch decken sich die beschriebenen positiven Veränderung in der Lebensqualität, wenn auch ganz individuell ausgeprägt, stark mit den Erfahrungsberichten, die auch beispielsweise Johanna Barbara Sattler (2024a) gesammelt hat, sodass doch ein enger Zusammenhang mit der Händigkeit und der Rückschulung festzuhalten ist.





(2) Das Spielgefühl


Ausschlaggebend für den Beginn eines Umlernprozesses ist bei den Befragten immer das bessere Spielgefühl auf dem Linksinstrument. Damit sind Verbesserungen in allen denkbaren Aspekten der Selbstwahrnehmung beim Musizieren auf dem Instrument gemeint. Diese Verbesserung wird in der Regel erst dann wirklich deutlich, wenn die Instrumentalist*innen zum ersten Mal auf einem Linksinstrument (oder das Rechtsinstrument linksseitig) spielen. Andrea Arnoldussen (2020) beschreibt, dass es den Musiker*innen oft erst im Vergleich bewusst wird, „dass etwas mit Haltung und Spielweise ihres Instruments nicht stimmte und deshalb ein dauerhaftes Unwohlgefühl vorhanden war“ (S. 109), was sich auch hier bestätigt. In einem Fall wird dies sogar explizit formuliert.


Ich kann den Rückblick nicht so nicht machen, ohne den Unterschied zu sehen zwischen dem Rechtsrumspielen, für mich Falschrumspielen und dem Richtigrumspielen. Und dieser Unterschied ist halt enorm. – P. O. (S. 2)

Der (zumindest in diesen fünf Fällen) alles verändernde Moment des ersten Spiels auf dem Linksinstrument wurde bereits beschrieben und einige Aspekte aus den dort bereits zitierten Erfahrungen werden auch in den Vergleich des Musizierens „davor“ und „danach“ einfließen.


Der „Erstkontakt“ mit dem linksseitigen Instrument stellt in allen fünf Fällen einen großen Einschnitt dar, der entweder direkt (R. S., P. O. & J. L.) oder mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung (S. B. & S. K.) zu einem Umlernen führt.





(2.1) Musizieren „davor“


(2.1.1) Der Zusammenhang mit der umgeschulten Linkshändigkeit


Bevor versucht wird, das Musizieren „davor“ zu charakterisieren, muss festgestellt werden, dass die im Folgenden beschriebenen Probleme beim Spielen auf dem Instrument sicher nicht nur auf einen nicht der Händigkeit entsprechenden Gebrauch der Hände auf dem Rechtsinstrument zurückzuführen sind. Jedes Musizieren ist individuell und jede Art von Schwierigkeit kann durch eine Vielzahl von äußeren Faktoren bedingt sein.


Gerade in den hier beschriebenen Fällen darf natürlich nicht vergessen werden, dass die Probleme sicherlich auch auf das Trauma der unterdrückten Händigkeit, vor allem auch beim Schreiben, zurückzuführen sein könnten. Die bereits beschriebenen Folgen einer umgeschulten Linkshändigkeit schlagen sich auch beim Musizieren nieder und beeinflussen das Spielgefühl maßgeblich, wie im Folgenden eindrucksvoll beschrieben wird.


Es geht ja beim Musik machen immer darum, irgendwelche Gefühle auszudrücken. Und ich hatte immer schon Schwierigkeiten, da irgendwas zu finden. Weil ich immer das Gefühl hatte: ich fühle nichts. Oder dachte, ich fühle nichts. Und dann ist mir später bewusst geworden, dass das Problem gar nicht ist, dass ich nichts fühle. Sondern dass ich als Kind gelernt habe, dass das, was ich fühle, falsch ist. Und das ist einfach das Problem von der umgeschulten Linkshändigkeit. Dass man lernt, dass das, was man eigentlich denkt, dass es richtig wäre und das für einen so auch eigentlich richtig ist, falsch ist. Zum Beispiel beim Händeschütteln. – S. B.

Auch wenn die folgende Begebenheit aus dem Kindergarten, die unter den fünf Interviews die einzige Erinnerung an eine konkrete "Umerziehung" darstellt, darf sie nicht unerwähnt bleiben; nicht nur, weil sie so herzzerreißend ist, sondern auch, weil sie das zuvor Geschilderte auf eindrucksvolle Weise illustriert.


Ich hatte Geburtstag, saß an dem Geburtstagstisch, wo die anderen Leute dann zu einem kommen und der Reihe nach gratulieren. Und ich sitze da und ich strecke die linke Hand hin und krieg gesagt: „Nein, das ist die falsche Hand“ oder so, den genauen Wortlaut bekomme ich nicht mehr zusammen. Und dann weiß ich noch, wie ich bei jedem Mal, wo ich irgendjemandem die Hand schütteln musste panische Angst bekommen habe, die falsche Hand zu benutzen. Ich war ja ein gut erzogenes Kind, das immer alles richtig machen wollte… – S. B. (S. 1)

Es ist erschütternd, wie die traditionell gewachsene Konvention, die rechte Hand zu geben, eine solche Verunsicherung beim heranwachsenden Kind auslösen kann: Die gesellschaftlichen Anforderungen zwingen das Kind, nicht es selbst zu sein. Für die Befürworter eines händigkeitsgerechten Instrumentalspiels sind die Rechtsinstrumente eine solche traditionell gewachsene Konvention.


Neben dieser Erfahrung, die den Zwiespalt, in dem sich ein umgeschultes linkshändiges Kind befindet, in Form einer - wenn auch in vielen Fällen sicherlich unbewussten - existentiellen Verunsicherung möglicherweise auf den Punkt bringt, gibt es noch eine weitere Aussage, die in eine ähnliche Richtung geht.


Ich hatte früher immer das Bedürfnis, irgendwas darzustellen, was ich gar nicht wirklich war. Aber ich hätte jetzt zum Beispiel gar nicht sagen können, was ich… das ist wahrscheinlich der Knackpunkt… was ich wirklich war. Das kannst du nicht, wenn du mit deiner nicht-dominanten Hand schreibst und spielst. – R. S. (S. 9)

Die Schwierigkeit einer umgeschulten Händigkeit beim Musizieren lässt sich vielleicht in folgender Hypothese zusammenfassen: Wer mit der Welt, seinen Gefühlen und sich selbst nicht im Reinen ist, kann sich auch musikalisch nicht ehrlich und authentisch ausdrücken.





(2.1.2) „Irgendetwas stimmt nicht“


Was in einigen Interviews immer wieder auftaucht und auch einmal direkt so formuliert wird, ist ein Gefühl, dass „irgendetwas nicht stimmt“ oder nicht passt und man dem auch nicht auf den Grund gehen kann. Besonders im Vergleich zu anderen Musiker*innen verfestigt sich ein Empfinden, an deren Niveau nicht heranzukommen, ohne zu verstehen wieso.


Weil ich so viel mit mir gehadert habe im Leben auf der Geige und ich wusste gar nicht, wo das Problem ist […] Ich habe jetzt nicht schlecht gespielt mit rechts und trotzdem wusste ich: Irgendwo ist der Wurm immer drin. Und ich war bei allen möglichen Alexandertechniklehrern, bei Coaches, bla, bla, bla. Und erst, als die ich Linkshändigkeit entdeckte, hatte ich das Gefühl: ja, jetzt werde ich stabil. – S. K. (S. 5)
Also ich hatte immer so ein bisschen so eine gläserne Wand, gegen die ich gerannt bin. Also es waren bei mir einfach Dinge, die nicht funktioniert haben. Und ich habe gesehen, bei anderen Cellisten funktionieren die. Und ich wusste nicht, warum die bei mir nicht funktionieren. […] ich konnte üben, so viel ich wollte. Das hat an der Sache nichts geändert – R. S. (S. 5)
Es hat mein Selbstwertgefühl schon sehr nach unten gedrückt. Weil ich mir immer dachte: „Boah, die können so geil spielen… – J. L. (S. 3)

Eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Körpertechniken (S. K., R. S. & J. L.) scheint ein Versuch zu sein, eine Lösung für dieses schwer in Worte zu fassende Gefühl zu finden, das neben der „falschen“, d. h. nicht der Händigkeit entsprechenden Spielweise auf dem Instrument sicher auch eng mit konkreten Folgen des Umlernens beim Schreiben zusammenhängt. Am Instrument können verschiedene Übungsmethoden weiterhelfen (R. S.), auch wenn diese Möglichkeiten unter Umständen begrenzt sind, was auch Lehrkräfte zur Verzweiflung bringen kann.


Mein Lehrer in Washington, der war der erste, […] der gesehen hat, dass irgendwas nicht stimmt. Er konnte nicht sagen, was es ist… – R. S. (S. 8) Ich war total verzweifelt […] Wir saßen da und er sagte „You just can’t learn it.“ […] Drei Jahre studierte ich dort und am Ende war er der Auffassung, er hätte wohl versagt. Das war schon schlimm und tragisch (Schoepflin, 2022, o. S.)

In den drei Fällen, in denen dieses Gefühl beschrieben wurde, konnte es nur durch Umlernen auf ein linkes Instrument gelöst werden.





(2.1.3) Körperliche Beschwerden


Drei Interviews verbindet die Erfahrung körperlicher Beschwerden, die das Musizieren unangenehm bis fast unmöglich gemacht haben.


[…] also Nackenschmerzen, die hatte ich eigentlich ständig – J. L. (S. 4)
[…] konditionelle Probleme, einfach Erschöpfungszustände – P. O. (S. 8)
„Je mehr ich da geübt habe, desto schlechter ging es mir. Und das hat natürlich zu Komplikationen geführt, auch gesundheitliche Problemen, die letztlich meinen Weg blockiert haben, in jungen Jahren“ P. O. (S. 3)
Ich hatte in der Schulter dann immer Schmerzen gehabt. Und zwar in so einem Ausmaß, dass ich eigentlich nicht mehr konzertieren konnte. – R. S. (S. 2)

Interessant ist, dass gerade die drei beim Umlernen Ältesten von körperlichen Beschwerden berichten, während in einem der beiden jüngeren Fälle „nur“ Konzentrationsschwierigkeiten genannt werden.


Aber ich habe immer im Konzert mindestens einen Schusselfehler gemacht. Das war mir irgendwie klar, dass das bei mir so ist. […] Ich habe gedacht: Mensch! Manche machen Stimmführung […] und geben nie einen falschen Einsatz. Die spielen immer richtig. Obwohl ich mich doch auch so gut vorbereite und auch nicht dumm bin. – S. K. (S. 2)

In den vorliegenden Fällen verschwanden die Beschwerden mit dem Wechsel auf das Linksinstrument, sodass ein starker Zusammenhang vermutet werden kann. Auch wenn die körperlichen Beschwerden am Instrument unterschiedliche Ursachen haben, wäre es sicherlich interessant – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Orchestermusiker*innen unter körperlichen Beschwerden leidet, wie Gembris et al. (2018) in einer Studie feststellen konnten – einmal die echte Händigkeit unter Berufsmusiker*innen zu untersuchen. Da auch in dieser Studie von Gembris et al. (2018) deutlich wird, dass die Beschwerden mit dem Alter zunehmen, erklärt sich, warum die Studie von Kopiez et al. (2012) mit Studierenden in dieser Hinsicht wenig aussagekräftig ist.





(2.1.4) „nur über Umwege“


Auf die Aussage von Walter Mengler (2010), dass es bei der Frage nach der Händigkeit beim Musizieren nicht um ein „möglich oder unmöglich“ gehe, sondern darum, wie effizient „das System des Instrumentalspiels die Leistungsunterschiede der Hände nutzt“ (S. 112) wird hier sicher nicht zum letzten Mal verwiesen, denn sie bringt auf den Punkt, worum es geht: Das Instrument funktioniert nicht optimal und so kann die innere Vorstellung von Musik nicht frei nach außen fließen.

Ich wollte immer was ausdrücken. Ich habe das innerlich gespürt, aber es ist nicht rausgekommen – R. S. (S. 8)
Alles, was ich ausdrücken wollte, ging nur über Umwege in die Flöte. – S. B. (S. 3)

Der Begriff des „Umwegs“ erinnert sehr stark an die Umschulung der Händigkeit, bei der – wie in 1.2.5 beschrieben – Planungs- und Ausführungsebene voneinander getrennt sind, oder an die Metapher, die Ocklenburg (2023) in diesem Zusammenhang verwendet: Die zusätzlichen Wege, die zurückgelegt werden müssen, weil die Kollegin in ein anderes Gebäude versetzt wurde. Um auf Mengler zurückzukommen: Es geht nicht um möglich oder unmöglich, sondern um Effizienz und jeder "Umweg" ist ein Hindernis, das dem „Musik machen“ im Wege steht.


Also ich hab schöne Klänge gemacht […] und auch eine schöne Stimmung, aber es war nie so, dass ich mir vorkam wie ein Musiker. Und das hat mich echt gestört. – J. L. (S. 3)

Es scheint fast überflüssig zu erwähnen, dass auch dieses Gefühl, das Instrument stünde dem Ausdruck im Weg oder sei nicht in der Lage, ihn adäquat zu übersetzen, in den drei Fällen, in denen dieser Aspekt erwähnt wurde, mit dem Wechsel zum linken Instrument schlagartig verschwunden ist.





(2.2) Musizieren „danach“


(2.2.1) „eins mit dem Instrument“


Vier Mal wird es explizit auf den Punkt gebracht, dass plötzlich ein ganz anderes Verhältnis zum Instrument da ist, dass man "mit dem Instrument" spielt und nicht "gegen das Instrument".


Also ich würde jetzt so sagen, rechtsrum habe ich mich dem Instrument ausgeliefert gefühlt, so ein bisschen. […] Und Linksrum ist es wirklich zu einem Ausdrucksmittel geworden. Also ich fühle mich jetzt nicht mehr ausgeliefert. Ich spiele mit ihm. – R. S. (S. 8)
Weil ich da erst gespürt habe, was die Leute meinen, wenn sie erzählen, dass sie mit der Musik verschmelzen oder eins mit dem Instrument werden. Das kannte ich vorher gar nicht. Das habe ich da erstmals erfahren dürfen, was das eigentlich für Gefühle sind – S. B. (S. 2)
Jetzt spiele ich mit meinem Körper, also bin eins mit meinem Körper und habe ein gutes Körpergefühl, während ich spiele. Und vorher habe ich eigentlich mehr gegen meinen Körper gespielt. – P. O. (S. 3)

Es entsteht ein neues Wohlgefühl beim Musizieren mit dem Linksinstrument, das in großem Kontrast zu dem Spielgefühl auf dem Rechtsinstrument steht.


Dann habe ich das Gefühl, ich tue mir selbst was Gutes und es reguliert wirklich mein Nervensystem. Das ist beim Rechtsspielen überhaupt nicht der Fall. Da wühlt es mich eher auf und ich bin danach ausgelaugt. – S. K. (S. 6)

Die Beziehung zum Instrument wird auch plötzlich viel persönlicher.


Also die Geigenbauer haben auch immer geschimpft, weil ich so wenig Ahnung von einer Geige habe und auch nicht die Seiten richtig gut alleine aufziehen konnte. Ich hatte irgendwie Schwierigkeiten da, mit dem Instrument in Kontakt zu kommen früher […]. Ich habe schon das Gefühl, mit links ist es persönlicher. Da nehme ich das Instrument auch besser wahr. – S. K. (S. 6)

Auch wenn diese Geschichte von den schimpfenden Geigenbauern ein Einzelfall bleibt, so ist dieses Gefühl einer neuen, intimeren Beziehung zum Instrument wie auch in den vorangegangenen Zitaten zu spüren.


In den Interviews wird auch vermutet, dass es eigentlich von außen nicht nachvollziehbar ist, was genau passiert. Allein die Wortwahl, auch in den noch folgenden Zitaten, zeigt, wie schwerwiegend, bedeutsam und auch emotional diese Erfahrung für die fünf Betroffenen ist.

Von außen kann man glaube ich gar nicht verstehen, wie es sich anfühlt, ein Leben lang auf dem falschen Instrument zu spielen und von der Musik ausgeschlossen zu sein – S. B. (S. 4)

Das Gefühl auf dem „richtigen“ Instrument zu spielen, erscheint bei diesen Zitaten ungeheuerlich, ist aber schlussendlich „nur“ das, was Rechtshänder*innen tagtäglich auf den Instrumenten in traditioneller Ausrichtung erleben.





(2.2.2) „ausdrucksvoller“ & „endlich Musiker*in!“


Zweimal wird die Formulierung „Musik machen“ bzw. „Musikerin sein“ verwendet, was vermutlich in engem Zusammenhang mit der Aussage steht, dass es plötzlich möglich ist, sich auszudrücken.


Der Ausdruck, der überträgt sich jetzt einfach ungefiltert durch das Instrument. Also […] ohne Blockaden durch das Instrument. – R. S. (S. 8)
Weil ich durch die Linksflöte gelernt habe, was es wirklich bedeutet, Musik zu machen. – S. B. (S. 2)
Jetzt kann ich da wieder gerade, mit geradem Rücken stehen und mir denken: Ja, ich bin auch Musiker! – J. L. (S. 3)
Das ist ein ganzheitliches Erlebnis und das macht mehr Spaß. […] Weil ich die Musik, die ich mache, fühle und weil ich umgekehrt ja auch das, was ich fühle, zum Ausdruck bringen kann. Ich bin im Einklang mit mir selbst. – P. O. (S. 9)

Wahrscheinlich sind die verschiedenen Kategorien nicht wirklich zu trennen, denn auch hier schwingt noch mit, dass das Instrument den Ausdruck nicht mehr behindert, sondern unterstützt. Die „Umwege“ und „Umleitungen“, die auf dem Rechtsinstrument wahrgenommen wurden, sind verschwunden.


In diesem Zusammenhang wird das eigene Spiel plötzlich auch viel emotionaler wahrgenommen oder macht einfach mehr Freude.


Es gibt jetzt Momente, in denen bekomme ich eine Gänsehaut, während ich spiele. Also das heißt, ich bin wirklich emotional voll dabei. Und das war vorher nicht möglich. Also dieses Gefühl kannte ich nicht aus jungen Jahren. Hatte ich nie. – P.O. (S.3)
Mit rechts wollte ich nicht mehr. Es ging ja irgendwie schon: Ich hatte auch nie Schmerzen oder so und hatte ja auch einen gewissen Erfolg, aber es war nie so eine innere Zufriedenheit. Die hat irgendwie immer gefehlt. – S.K. (S.3)




(2.2.3) „entspannter“ & „unangestrengter“


Erschwerten früher noch Schmerzen das Musizieren (auf dem Rechtsinstrument), so sind diese plötzlich kein Thema mehr.

Das geht seitdem ich umgestellt habe, also eben komplett auf links, bin ich entspannter beim Spielen. – P.O. (S.2)

Oder vorhandene Verspannungen werden erst im Vergleich überhaupt wahrgenommen.

Und als ich dann später angefangen habe linksrum Querflöte zu spielen, habe ich mich gefragt, wie ich es ausgehalten habe, mein Leben lang andersrum zu spielen. Denn plötzlich habe ich gemerkt, wie verspannt ich bin, wenn ich die Flöte rechtsrum halte… – S.B. (S.2)

Vor allem braucht man nicht mehr so viel Energie und Kraft, um sich auszudrücken.

Dass ich mich unmittelbar und vollkommen mühelos, musikalisch ausdrücken kann ohne mich groß zu verrenken oder hier irgendwie großen Körpereinsatz zu zeigen oder kognitiv sich so extrem anzustrengen – J.L. (S.6)
Ich habe auf dem Bogen auch viel zu viel Druck draufgehabt, in der Meinung, ich müsste wahnsinnig viel Ton machen, weil man mir das rechtsrum immer gesagt hat. Und linksrum muss ich das aber gar nicht, weil der nämlich von selbst kommt. – R.S. (S.4)

Es ist eine neue, mühelose Art des Musizierens, die dazu führt, dass plötzlich keine Schusselfehler mehr dazwischen schießen (S.K.) oder, dass das Üben plötzlich viel leichter fällt und länger möglich ist, weil die Konzentration länger anhält (R.S.) oder keine körperlichen Beschwerden auftreten.

Üben kann ich jetzt ohne Probleme stundenlang, ohne Nackenschmerzen zu kriegen, ohne dass ich müde werde auch – J.L. (S.4)




(2.2.4) „stimmig“ & „ausgeglichen“


Es fühlt sich stimmig und ausgeglichen an. – S.K. (S.7)
vieles wurde einfach natürlicher und logischer und stimmiger und so. – S.B. (S.4)

Auch am Klavier ist die Aufgabenverteilung zwischen den Händen plötzlich ganz stimmig. Jede Hand hat so viel zu tun, wie sie kann.

Die Aufgabenverteilung der Hände […] fühlt sich jetzt tatsächlich ausgeglichen an. Also, dass die eine Hand genauso viel macht, wie sie soll und die andere Hand auch und keine ist überfordert oder unterfordert. – J.L. (S.7)

Die „natürlichere“ Spielweise wirkt sich – wie in einem Fall explizit beschrieben wird – dann auch auf den Stand aus.

Also wenn ich mich jetzt mit Video aufnehme, linksrum spielend, dann sehe ich endlich so aus, wie ich damals rechtsrum mal aussehen wollte. Nämlich einfach stabil und geerdet. Nicht so wackelig, wie früher rechtsrum – S.K. (S.6)




(2.2.5) Probleme lösen sich „von alleine“


Diese Sachen, wo ich immer so dagegen gerannt bin, die sind jetzt alle in der Ordnung – R.S. (S.5)
Das hat sie [meine Lehrerin] auch gesagt, dass sich mit der Linksflöte plötzlich Probleme einfach von alleine lösen, zu denen sie in all den Jahren Unterricht irgendwie immer noch kein Zugang gefunden hat – S.B. (S.3)

Auf die allgemeine Frage, ob durch das Umlernen alle Probleme gelöst werden konnten, fällt die Antwort allerdings gemischt aus. Während die Antwort dreimal ein klares „Ja“ ist, ist sie zweimal ein ebenso klares „Nein“. Während „alle Probleme“ natürlich sehr unterschiedlich verstanden werden kann, ist es sicherlich auch eine Frage der Erwartungshaltung an das Umlernen, aber vielleicht auch des Ausbildungsstandes sowie des Ausmaßes der erlebten Befreiung im Vergleich zur Leidensgeschichte davor. Das Umlernen ist sicher kein Wundermittel, dass alle Probleme schlagartig lösen kann, denn auch nach der Umstellung geht der musikalische Lebensweg weiter. Gleichzeitig scheint es aber teilweise als derartige Befreiung erlebt zu werden, dass es sich anfühlt, als seien alle Knoten geplatzt, was auch von außen oftmals bestätigt wird.





(2.3.6) Verbesserte Atmung, Körperhaltung und Wahrnehmung


„Ich kann auch unbeschwert Luft holen beim Spielen, habe bessere Konditionen und kann [auf einmal] vom Blatt spielen.“ – P.O. (S.2)

In diesem vorletzten Abschnitt zum Spielgefühl sollen noch einige Aspekte erwähnt werden, die nicht in großer Übereinstimmung berichtet werden - so wird z.B. die Atmung nur in einem Interview erwähnt -, die aber dennoch einen wichtigen Aspekt des neuen Spielgefühls darstellen.


Ein anderes Interview beschreibt, wie sich die Wahrnehmung dadurch verändert, dass das Spiel auf dem linken Instrument entspannter und effizienter wird.


Seit ich linkshändig spiele, seit ich für mich richtig spiele, höre ich auch das gesamte musikalische Geschehen. Ich nehme das alles wahr, was um mich herum passiert, während ich spiele. Und vorher war das nicht der Fall. Da war es mehr so hohe Konzentration auf das, was ich spiele. – P.O. (S.8)

Im Zusammenhang mit dem Unterrichten, wurde berichtet, wie die neue, verbesserte, Körperhaltung sogar direkt von den Schüler*innen übernommen wird.


Als ich angefangen habe, linksrum zu unterrichten, habe ich plötzlich bemerkt, dass meine rechtshändigen Schüler sich aufrichten. Ich hatte immer irgendwie so das Gefühl, meine Schüler hängen so hinterm Cello. […] Ist mir aber nie so richtig gelungen für eine zufriedene Haltung meiner Schüler… Und dann habe ich plötzlich gemerkt, dass sich das irgendwie überträgt. Ich kann das nicht anders beschreiben. Aber das war nochmal so ein Erlebnis, wo ich gedacht habe: ich bin auf der richtigen Spur. – R.S. (S.2)




(2.3.7) Zwischenfazit


Ich fühle mich sehr richtig, wenn ich spiele. Ich habe das Gefühl, alles ist am richtigen Platz und ich bin in Ordnung und es kommen keine tiefgreifenden Zweifel auf – S.K. (S.6)

Zusammenfassend wird das Spiel auf dem Linksinstrument so beschrieben, dass mit dem linksseitigen Instrument plötzlich ein musikalischer Ausdruck, der vorher nicht oder nur eingeschränkt möglich war, in ein viel entspannteres Musizieren einfließen kann, was zu einem viel besseren und freudvolleren Spielgefühl führt. Es ist „stimmig“, „ausgeglichen“, „natürlich“ und erstmals ist es möglich, „wirklich Musik zu machen“.


Während die Frage, wie sich das eigene Spielgefühl auf dem Linksinstrument in einem Satz zusammenfassen lässt, in allen fünf Interviews mit sehr unterschiedlicher Gewichtung der herausgearbeiteten Kategorien beantwortet wird, gibt es eine Antwort, die zusammenfassend für alle stehen kann:

Nehmen wir lieber ein Wort: richtig. – S.B. (S.4)




(3) Der Umlernprozess


Auch wenn das neue Spielgefühl ausschließlich als äußerst positiv empfunden wurde und in gewisser Weise auch als ein durchaus emotionales Nachhausekommen beschrieben werden kann, darf dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wechsel zum Linksinstrument, auch wenn das neue gute Gefühl von Anfang an da ist, zunächst einmal ein Aufgebend der bisher erreichten spieltechnischen Möglichkeiten darstellt, die im Umlernprozess – natürlich abhängig von der Art des Instrumentes - mehr oder weniger komplett neu erlernt werden müssen.


Die folgende Aufzählung erschwerender und begünstigender Faktoren für das Umlernen ist lediglich eine Zusammenstellung aus den fünf in dieser Arbeit beschriebenen Fällen und kann durch weitere Untersuchungen sicherlich noch erheblich erweitert und differenziert werden.





(3.1) Erschwerende Faktoren


(3.1.1) Erwartungshaltung


Ich hatte so ein bisschen die Hoffnung, dass ich den heiligen Gral finde, so ehrlich gesagt. Also irgendwann alles funktioniert und alles… also es stimmt auch: Vieles ergibt jetzt rückblickend viel mehr Sinn, was mir über die Jahre gesagt wurde bezüglich Bogentechnik vor allem, aber auch in Bezug auf die Greifhand. Dennoch braucht es halt einfach viel, viel, viel Zeit und Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. – S.K. (S.5)

Auch wenn die Erwartungen angesichts der bereits beschriebenen Verbesserungen des Spielgefühls in die Höhe schnellen können, kann eine überzogene Erwartungshaltung die mögliche Freude am Umlernen erheblich einschränken, was in einem Fall besonders deutlich wird, in dem die erste Erfahrung mit dem Linksinstrument als „Schock“ beschrieben wird.





(3.1.2) Dauer


Dass es schnell vorangeht, ist nicht der Fall. Und ich traue mich auch noch nicht alleine großartig, irgendwem vorzuspielen. […] Es klappt schon gut und ich kann sauber spielen und so weiter, aber es geht nicht wie im Schlaf, sag ich mal – S.K. (S.6)

Unabhängig vom Instrument ist das Erlernen des Instrumentes ein sehr tiefgreifender Prozess, bei dem man sich „die Zeit einfach geben muss“ (R.S., S.10). Bis in allen spieltechnischen Bereichen die Spielfähigkeit die Sicherheit in den Bewegungsabläufen wie davor wieder hergestellt ist, braucht es eben seine Zeit. So kann es durchaus vorkommen, dass die Frage ob, wie weit der Umlernprozess abgeschlossen ist, auch nach vier Jahren noch mit „fünf bis zehn Prozent…“ (S.K., S.6) beantwortet werden muss.


Natürlich entscheidet nicht die Dauer allein über den Erfolg des Umlernens, sondern vor allem das kontinuierliche Üben. Dennoch scheinen gerade Streichinstrumente mit ihrem grundsätzlich unterschiedlichen Einsatz der Hände eine besonders große Herausforderung darzustellen.


Dann habe ich mit Walter Mengler telefoniert und der hat mir erzählt, ich sollte für die Umstellung pro Lebensjahr, das ich gespielt hätte, einen Monat rechnen. Und dann habe ich zusammengezählt: Ja, das sind so dreieinhalb Jahre ungefähr: das kann ich verkraften. […]. Also das mit den dreieinhalb Jahren hat nicht wirklich hingehauen. […] Jetzt allmählich komme ich in so einen Zustand, dass ich sagen kann, ich kann wieder halbwegs professionell spielen. Und das sind mal gut zehn Jahre gewesen. – R.S. (S.3)

Um sinnvolle Aussagen über die Dauer des Umlernprozesses machen zu können, bedarf es wesentlich mehr Daten als die der beschriebenen fünf Fälle, die nur andeuten, dass der Prozess möglicherweise länger dauert, wenn es sich um ein Streichinstrument handelt, das umgelernt wird, oder wenn mit dem Umlernen in einem höheren Alter begonnen wird.


Aber auch bei Drumset und Querflöte dauert es mehrere Jahre, bis das Instrument wieder voll „beherrscht“ wird.


Ich würde sagen, vier Jahre. Und das lag an den Füßen.– P.O. (S.7)
Ich glaub nach so drei Jahren habe ich mich recht sicher gefühlt – S.B. (S.4)

Auf weitere Aspekte der Dauer und darauf, dass Zeitangaben in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll sind, weil es aufgrund der neu gewonnenen Möglichkeiten nicht um das Erreichen der alten „Spielfähigkeit“ geht, sondern von Anfang an um ein Darüberhinaus, wird später (in 3.2.1) eingegangen.





(3.1.3) Druck


Nur, dass ich mir selber gesagt habe: „Ach, das müsste doch jetzt schneller gehen!“ Und dann hat es mich manchmal ein bisschen frustriert, weil ich mir dachte: „Warum klappt das jetzt noch nicht?“ Man muss schon ein bisschen geduldig sein. – J.L. (S.9)

Natürlich kann die Tatsache, dass der Prozess Zeit braucht, zu Ungeduld und Frustration führen. Es wird auch von vorzeitigem Spielen von Konzerten oder schwierigen Stücken berichtet (R.S., S.K. & S.B.). Überhöhte Erwartungen an sich selbst können sogar zu Überlastungssymptomen führen, wie in einem Fall beschrieben.


Du musst alles neu lernen. […] Das ist der der mühsame Anteil an dem Prozess. Und ich bin da auch ein bisschen rigoros vorgegangen und hab mich dann ziemlich verspannt. – R.S. (S.5)

Das Umlernen ist eben nicht nur ein Vertauschen der Seiten, sondern wie die Rückschulung beim Schreiben „ein Experiment mit dem eigenen Gehirn und der eigenen Psyche“ (Sattler, 2024a, S.138)


Ich glaube es ist wichtig, so einen Umlernprozess vorsichtig anzugehen. Man darf sowas nicht unterschätzen. Es ist einfach eine große Umstellung im Gehirn – S.B. (S.3)

Gerade auch an Lehrkräfte gilt dieses Plädoyer, „Geduld und Verständnis“ (S.K., S.8) aufzubringen, denn „manche Dinge gehen nun mal nicht zu beschleunigen“. So selbstverständlich es erscheint, so notwendig erscheint es auch, explizit darauf hinzuweisen, dass Wettbewerbe und Prüfungen in der Übergangsphase kontraproduktiv sind.


Ich hatte das Problem, dass ich an der Musikschule in einer Studienvorbereitenden Klasse war, wo man jedes Jahr eine Prüfung spielen musste, um drin zu bleiben. Und das Wichtigste war immer ein Virtuosenstück zu spielen. Und dann habe ich versucht, ein fingertechnisch wirklich richtig schweres Stück zu spielen. Und das war halt einfach utopisch. […] Aber trotzdem, dieser ganze Druck, dass ich innerhalb von einem Jahr dieses Stück spielen muss, war nicht gut, weil ich glaube, ich habe mich dann zu sehr darauf versteift, es hinzubekommen und ein bisschen vergessen, weshalb ich eigentlich umlerne. – S.B. (S.3)




(3.1.4) Kritik


Während in allen fünf vorliegenden Fällen gelegentliches Unverständnis die Regel zu sein scheint, sind ernsthafte Auseinandersetzungen über das linkshändige Instrumentalspiel leider nicht auszuschließen und werden in einem Fall auch eindrucksvoll geschildert.


Und der Meisterkurslehrer war jetzt nicht so begeistert. Das muss man dann immer erst kapieren, dass die Leute da teilweise einfach nicht mitgehen und dass man dann eben zu anderen Leuten gehen muss. […] Gerade bei dem war das sehr schwer, weil ich sehr viel von ihm halte und weil er mir rechtsrum auch sehr viel geholfen hat. Und als ich dann umgestellt habe, da ist er richtig aggressiv geworden. […] Also wir haben uns dann ziemlich gefetzt und sind im Unfrieden voneinander geschieden. […] und mein ganzes Umfeld hier hat eigentlich negativ reagiert. – R.S. (S.4)




(3.1.5) Literaturauswahl


Ich hab zuerst so eine alte Schule genommen […] Und dann hab ich gedacht, ich muss was spielen, wo ich so einen musischen Impuls hab und habe angefangen, eine Bach-Suite zu spielen. Das war natürlich dann motorisch eine totale Überforderung. Und dann bin ich da so immer hin und her gependelt. Also zwischen Bach-Suite und einfachen Übungen. – R.S. (S.5)

Entscheidend ist natürlich auch eine adäquate Literaturauswahl, die sich allerdings vor dem Hintergrund schwierig gestaltet, dass die viele Umlernenden zwar technisch gesehen Anfänger sind, gleichzeitig aber auf ein voll ausgebildetes musikalisches Verständnis zurückgreifen können und ihre Musikalität nun erstmals so richtig ausleben können und dementsprechend auch wollen.


Aber ich vergesse irgendwie richtig Stücke zu spielen. Das liegt auch daran, dass ich keine Pupsstücke spielen will, aber die richtigen Stücke sind auch noch zu schwer für mich. – S.K. (S.6)




(3.2) Begünstigende Faktoren


(3.2.1) Das gute Gefühl


Die bereits beschriebene, nicht zu unterschätzende, Dauer des Umlernprozesses sollte jedoch nicht grundsätzlich davon abschrecken, diesen Weg zu gehen, denn die Frage, wie lange es dauert, bis das „alte Spielniveau“ wieder erreicht ist, verkennt das entscheidende Charakteristikum des Umlernens: Die Entscheidung zum Umlernen auf ein Linksinstrument ist nämlich ein gleichzeitiges Verlieren und Gewinnen an spieltechnischen bzw. musikalischen Möglichkeiten.


Und sind wir mal ehrlich; ich staune jetzt auch drüber, wie ich das als 16/17-Jährige einfach hinschmeißen wollte und konnte. In dem Moment war mir auch egal, ob ich es überhaupt dann schaffe, Musik zu studieren oder sonst was, aber mir war einfach klar, dass ich es rechtsrum einfach nicht mehr kann. Und sowieso nicht will. Und dass das Umlernen überhaupt der einzige Weg ist, wenn ich wirklich Musik machen will. – S.B. (S.3)

Es gibt eben entscheidende Gründe, die für das Umlernen sprechen und die, wie in den Abschnitten zum Spielgefühl beschrieben, von Anfang an spürbar sind und so sehr motivierend wirken können. In den meisten Fällen ist der Gewinn, der sich aus der Möglichkeit ergibt, händigkeitsgerecht musizieren zu dürfen, so groß, dass der Preis dafür gerne gezahlt wird bzw. gezahlt werden muss, weil es einfach nicht mehr anders geht.


Es ist ein Neulernen, aber mit viel besseren Voraussetzungen, und das lässt sich nicht mit einer Anzahl von Jahren beschreiben, wie lange es dauert: Es ist kein Rückschritt, sondern ein großer Sprung nach vorn, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.


Das kann ich gar nicht mehr vergleichen. Also, die Möglichkeiten, die ich jetzt habe, sind andere. Alleine, weil ich komplett spielen kann.“ – P.O. (S.7)
Ja, also es ist so eine Mischung aus mühsam und frustrierend, weil es eben dann mit den dreieinhalb Jahren eben auch nicht funktioniert hat. Und ungeheuer befriedigend, weil es vom Grundsatz her eben so richtig ist – R.S. (S.5)

Dementsprechend wird das Umlernen auch nicht als Nullanfang beschrieben, sondern eher als ein sich neu Orientieren und Zurechtfinden, bei dem der Lernprozess, wie in drei Fällen beschrieben wird, sprunghaft verläuft. (S.B, J.L. & P.O.)


Faszinierend fand ich, dass ich nicht nach und nach so wie ein Anfänger langsam Fortschritte gemacht habe, sondern dass es sehr sprunghaft ging. Weil man weiß ja, wie es theoretisch funktioniert. Das Gehirn weiß ja komplett alles. Aber man muss halt beispielsweise die Griffe umsortieren. – S.B.




(3.2.2) Gelassenheit


Da habe ich meinem Körpergefühl vertraut. Ich habe schlicht und ergreifend gemerkt, dass sich das besser anfühlt. Dass es mir dabei besser geht, dass ich besser spiele, entspannter und dabei auch frei atmen kann. Und vom Blatt spielen kann. […] Das war so ein Selbstläufer. – P.O. (S.5)

Aus den Interviews geht hervor, dass das Spiel auf dem Linksinstrument in gewisser Weise natürlicher und in dieser Hinsicht auch leichter ist und im Idealfall zu einem „Selbstläufer“ werden kann.


Das neue, gute Gefühl kann der Leuchtturm sein, der hilft durch das manchmal schwierige Gewässer des Umlernens zu navigieren. Auch wenn Martina Neumann den folgenden Ratschlag für das Umlernen beim Schreiben gibt, lässt er sich wahrscheinlich ohne weiteres auf das Instrumentalspiel übertragen:


Das gute Gefühl beim Üben mit links sollte sich an jedem Tag der Rückschulung zeigen dürfen, und auch später beim Schreiben und Hantieren mit links, sollt es sich selbstverständlich einstellen. Das gelingt jedoch nur dann, wenn der Umstellungsprozess wirklich spielerisch und ohne inneren oder äußeren Leistungsdruck durchgeführt wird. (Neumann, 2014, S.118)





(3.2.3) Instrument mit ähnlichen Aufgaben pro Hand


Bevorteilt werden beim Umlernen vermutlich Instrumente mit ähnlichen Aufgaben in beiden Händen. So wird für das Schlagzeug beschrieben, dass die Umstellung auf das Spiel mit der rechten Hand durch einfaches Vertauschen der Handfunktionen nahezu problemlos möglich ist, während sich die Umstellung auf ein linksseitiges Set, vor allem wegen der neuen Aufgaben der weniger gleichmäßig trainierten Füße etwas schwieriger gestaltet (P.O.). Die Querflöte (und alle anderen Holzblasinstrumente) gehört ebenso in diese Kategorie wie auch das Klavier. Wobei bei letzterem die Aufgaben am ähnlichsten sind, sodass hier schon nach zwei Jahren des Umlernens die Frage, ob nun alles wieder gespielt werden kann, was vorher gespielt werden konnte, relativ optimistisch beantwortet wird.


Musikalisch zu einer besseren Qualität, aber technisch noch nicht ganz […] Es ist wahrscheinlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich, wie schnell er das kann. Christopher Seed hat es ja scheinbar in vier Monaten ausreichend gut hingekriegt. – J.L. (S.6)




(3.2.4) Experimentieren mit der Leserichtung


Ist neben dem Instrument vielleicht auch die Notation für Linkshänder falsch? Auch wenn diese Frage auf den ersten Blick völlig ungerechtfertigt erscheint, so zeigt sich doch, dass sie in den Interviews immer wieder eine Rolle spielt. Während es in den meisten Fällen nur um die Leserichtung geht, stellt sich beim Klavier eine ganz andere Frage, zu deren Verständnis im Folgenden zunächst die erste Erfahrung von Geza Loso am Linksklavier, herangezogen werden soll:


Das hat richtig Spaß gemacht, aber war erstmal schwierig. Ich wusste warum. Weil ich habe rechts gelesen und links gespielt. Das geht nicht. Da hat man noch immer Knoten im Gehirn. […] Dann habe ich die Notation linkshändig aufgesetzt und das war der absolut… manchmal sage ich sogar, ist noch wichtiger als das Instrument – Geza Loso (persönliche Kommunikation am 20.08.2024) Gerade beim Klavier ist die Notation sehr stark mit den Bewegungen auf der Tastatur verbunden, was beim Umlernprozess zu Problemen führen kann, wenn das obere System nicht mehr die rechte Hand ist und nach oben nicht mehr nach rechts heißt. Die „Linkshändernotation“ von Geza Loso vertauscht daher die beiden Systeme und auch Tonhöhe und -tiefe, so dass nach oben wie gewohnt nach rechts bedeutet, nun aber auf der umgekehrten Tastatur tiefer.


Dennoch scheint das Umlernen auf dem Klavier auch mit der herkömmlichen Notation möglich zu sein.


Manchmal verwechselt man am Anfang noch die Hände. Also, dass man das, was für rechts notiert ist, dann tatsächlich auch mit rechts nimmt und andersrum. Die Bewegungsrichtung ist auch ein bisschen irritierend erstmal, aber man gewöhnt sich dran. – J.L. (S.5)

Während die oben dargestellte Notation von links nach rechts in den fünf Fällen meist abgelehnt wird, ist allen fünf Fällen eine bevorzugte Leserichtung von rechts nach links gemeinsam, die z. B. durch Überkopf-Lesen erreicht werden kann. Diese wird jedoch nur in einem Fall beim Musizieren benutzt.


Bei mir ist es jedenfalls wesentlich besser von rechts nach links. Ich lese auch die Noten, ich stelle die einfach umgekehrt auf den Notenständer und lese die von rechts nach links. Ja. Das macht auch nochmal viel aus für den Verarbeitungsprozess im Gehirn – R.S. (S.9)
Ja, hab ich… auch schon ausprobiert und natürlich fühlt sich das viel besser an. Und Bücher habe ich zwischendurch auch angefangen, auf dem Kopf zu lesen. Aber ich komm einfach nicht damit klar, dass dann alles andere in der Welt immer noch falsch ist. Deshalb versuche ich nicht drüber nachzudenken. Aber ich würde viel, viel lieber von rechts nach links lesen und schreiben – S.B. (S.5)
Das Buch, was ich aktuell lese, das lese ich auf dem Kopf. Ich hab das, ich hab das öfter gemacht und das ist einfach entspannter. – P.O. (S.9)

Auf dem Klavier erreicht das schlichte Auf-den-Kopfstellen der Noten den gleichen Effekt wie die Notation von Geza Loso.


Ich habe das auch mal ausprobiert. Ich fand es gar nicht so schlecht, muss ich sagen. Also von rechts nach links zu lesen. Und auch, dass eben die Hände gleichbleiben. Die Noten gehen quasi in dieselbe Richtung wieder. Also es geht hoch, wenn es nach rechts geht. Runter, wenn es nach links geht. Ja, aber ich bin dann immer wieder umgedriftet zum doch links nach rechts lesen. – J.L. (S.5)



(3.2.5) Austausch


Und das war auch sehr wichtig, also jemanden zu haben, der dasselbe macht – R.S. (S.4)
Ja, ich glaube, es ist ein großes Geschenk gewesen, dass ich von meiner Klavierlehrerin immer ein tiefes Verständnis bekommen habe. Das ist sehr wichtig…[...] Meine Klavierlehrerin ist selbst umgeschulte Linkshänderin und ich glaube, sie war die Einzige die mich damals wirklich verstanden hat. – S.B. (S.4)
Wenn es jetzt darum geht, was wäre schöner gewesen., dass man jemanden hat, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Ja. Ich denke, das hätte schon geholfen. – P.O. (S.11)

Gerade wenn man sich allein fühlt oder mit Kritik zu kämpfen hat, ist es gut, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das macht es leichter. Aber nicht nur dann, sondern auch über das Vorgehen lohnt sich der Austausch, denn jeder Prozess ist individuell.





(3.3) Zwischenfazit


Wie der Umlernprozess verläuft, hängt von sehr unterschiedlichen Faktoren ab, die sich auch individuell sehr unterschiedlich darstellen können. Charakteristisch ist das Spannungsfeld zwischen dem mühsamen Wiedererlernen der Spieltechnik und einem gleichzeitigen, nie gekannten neuen Wohlgefühl beim Spielen. Das folgende Zitat bringt es auf den Punkt.


Ich habe ja vieles aufgegeben dadurch, und das war und ist mitunter manchmal traurig. […] Die Erfahrung, mein musikalisches Handwerk gelernt und gekonnt zu haben und dann plötzlich wieder „ohne alles“ dagestanden zu haben, stumm und unbeholfen, war eine lange und sehr tiefe Durststrecke, eine Wüstenerfahrung. Sie hat mich stärker gemacht. […] Auch wenn ich nicht dasselbe spielen kann wie vorher an Repertoire, so habe ich jetzt das Gefühl, dass meine Geige viel intimer zu mir gehört. Das ist ein ganz großes Geschenk. Das wäre sonst nicht so passiert – ich habe lange genug sehr intensiv rechts herum musiziert, aber es hatte sich nie diese Innigkeit eingestellt. […] Das Umlernen ist und war zwar sehr mühsam, sehr quälend zwischendurch – dass ich so abgeschnitten von dem zu sein schien, was ich doch schon konnte, also von ganz praktischen und technischen Fähigkeiten. Aber eben diese Innigkeit und Intimität sind es, die nicht zu vergleichen sind mit dem vorherigen rechtshändig Spielen. (Ros, 2021)


Es wäre falsch, den Prozess des Umlernens als leicht abzutun, er ist es sicher nicht, im Gegenteil, aber die Vorteile, die er mit sich bringt, überwiegen in vielen Fällen – und machen den beschwerlichen Weg lohnenswert.


Das war so ein Wurschteln, ja. Ich habe mich da durch den Schlamm gemüht. Irgendwie. Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es einen anderen Weg gibt. Weil es ist ja in gewisser Weise auch ein Heilungsprozess. Es ist so eine Art Selbstheilungsprozess, den der Körper da durchläuft. Und der hat seine Wege und die kennen wir auch gar nicht alle. Und den muss man da auch einfach machen lassen. Und die Zeit geben… – R.S. (S.9)





2.2.5 Zusammenfassung


2.2.5.1 Umschulungsfolgen am Instrument


Ganz offensichtlich macht es etwas mit linkshändigen Musiker*innen, wenn sie auf einem Rechtsinstrument musizieren müssen. Während der Fokus in den Interviews und in der Auswertung sehr auf den Unterschieden zwischen dem Spielgefühl „davor“ und „danach“ lag, zeigten sich doch, ähnlich wie zum Schreiben, „Umschulungsfolgen“ am Instrument, die Arnoldussen (2020) wie nachfolgend aufgeführt im Detail beschreibt (Die Aufzählung ist kein direktes Zitat, sondern nur eine Zusammenstellung der Zwischenüberschriften mit leichten Änderungen zum besseren Verständnis).


Unterdrückung des natürlichen (Körper-)Gefühls

  • Fehlendes Wohlbefinden

  • Fehlende Vertrautheit mit dem Instrument

  • Jeden Tag aufs Neue ein mühsamer Prozess

  • Eingeschränkte Möglichkeit des Emotionalen Ausdrucks


Spieltechnische und körperliche Auswirkungen

  • Körperliche Überlastungserscheinungen

  • Rechts-Links-Unsicherheit in Bewegungskoordination (bei Instrumentalanfänger*innen)


Auswirkung für kognitive Funktionen

  • Konzentrationsprobleme

  • Gedächtnisprobleme

  • Legasthene Probleme (Notenlesen)


Folgen für Gefühlsleben und Verhalten

  • Minderwertigkeitsgefühle, Unsicherheit, Zurückgezogenheit

  • Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz (Leistungsbereitschaft bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten am Instrument)

  • Psychosomatische Probleme


Stressfaktor „Bühne“ (der Probleme noch einmal maßgeblich verstärken kann)



Interessanterweise fügen sich die beschriebenen Fälle nahtlos in diese Liste ein. Auch wenn einige Aspekte hier keine große Rolle spielten, so charakterisieren doch „fehlendes Wohlbefinden“, „fehlende Vertrautheit mit dem Instrument“, sowie „eingeschränkte Möglichkeiten des emotionalen Ausdrucks“ sehr gut das Spiel auf dem rechten Instrument, wie es (insbesondere im Vergleich zum linken Instrument) in allen fünf Fällen wahrgenommen wurde.





2.2.5.2 Sollten linkshändige Kinder ihr Instrument linkseitig lernen?


Natürlich beschreiben die hier analysierten Fälle nur die Gruppe umgeschulter Linkhänder*innen an ausgewählten Instrumenten, aus deren Erfahrungen es sicher nicht zulässig ist, diese auf alle Linkshänder*innen und alle Instrumente zu übertragen. Zumal die Veränderungen im Spielgefühl neben der Umstellung von Rechts- auf Linksinstrument, auch sehr mit den Veränderungen in Psyche und Wohlbefinden durch die Rückschulung beim Schreiben stehen könnten.


Man könnte einwenden, dass die Unterschiede nur durch das Trauma der umgeschulten Linkshändigkeit so gravierend wahrgenommen werden. Nichtsdestotrotz sind es gerade diese Erfahrungen, die zeigen, dass Anpassung keine Option ist, wenn es um Händigkeit geht, sodass die Schlussfolgerung, wenn überhaupt, dann die ist, dass die Erfahrungen der umgeschulten Linkshänder*innen eher der Schlüssel zum Verständnis dessen sind, was passiert, wenn das Instrument nicht entsprechend der Händigkeit gespielt wird. Umschulungsfolgen begrenzen sich – wie zuvor beschrieben – nicht auf das Schreiben, sondern können sich auch auf dem Instrument einstellen. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß.


Konsequenterweise wurde die Frage, ob Linkshändige Instrumentalanfänger*innen das Instrument linksseitig erlernen sollen, ganz einstimmig beantwortet.


Niemand denkt heutzutage, hoffentlich, noch darüber nach, ob linkshändige Kinder wirklich mit Links schreiben lernen sollen. Warum sollte es beim Instrument anders sein? – SB (S.4)
Kinder sollen unbedingt entsprechend der Händigkeit lernen – S.K. (S.7)
Grundsätzlich halte ich es für sehr sinnvoll, wenn man sein Instrument seiner Händigkeit entsprechend spielt. Weil's einfacher ist. Weil du dich, schöner ausdrücken kannst und weil's einfach deiner Natur entspricht. – J.L. (S.8)
Ich würde immer dazu raten, ein Instrument zu lernen, was der Händigkeit entspricht. Immer. – P.O. (S.9)
Sofern es linkshändig ist, unbedingt links! Kein Pardon. Kein Aber. Kein „Aber, dann kann es nicht im Orchester spielen“. Unbedingt links. Keine Frage. – R.S. (S.9)

Das Klavier stellt sich allerdings als Sonderfall heraus, bei dem eine uneingeschränkte Empfehlung für die linkshändige Spielweise nicht gegeben werden konnte, weil es einfach überall an Instrumenten fehlt.


Ich habe es jetzt tatsächlich auch auf meiner Lehrerseite vermerken lassen, dass ich Klavierunterricht für Linkshänder anbiete… und ich würde dann einfach die Argumente für beide Richtungen besprechen. Die Eltern werden da wahrscheinlich auch eine große Rolle beim Mitspracherecht. Aber grundsätzlich […] bin natürlich schon dafür, weil es mir selber so viel bringt. – J.L. (S.8)

Auch bei Streichinstrumenten ist in diesem Zusammenhang eine interessante Beobachtung zu erwähnen:


Da muss ich sagen, bei der Geige ist es tatsächlich so, wenn jemand falschrum spielt, klingt es am Anfang besser. Weil die Greifhand sauber spielt. Das heißt, das Kind trifft schneller die Töne. Und der Bogen wischt zwar, aber die spielen nicht so wahnsinnig laut. Das heißt, am Anfang klingt es für die Ohren sogar angenehmer, wenn man falschrum spielt. […] Dafür, wenn man falschrum spielt, kommt aber auch später nie ein großer Ton. Das klingt immer so flautandomäßig. Also auf jeden Fall entsprechend der Händigkeit spielen. Auch wenn man denkt, oh, es klingt doch aber schön so. Die spielt so sauber mit ihrer dominanten Hand. – S.K. (S.8)

Angesichts der gravierenden Verbesserungen des Spielgefühls, für die in allen fünf Fällen alle Schwierigkeiten des Umlernens über Jahre in Kauf genommen wurden, stellt sich wirklich die Frage, warum man Instrumentalanfänger*innen dieses Gefühl vorenthalten sollte. Während Kopiez & Galley in der Entscheidung für ein Linksinstrument ein „unkalkulierbares Risiko“ (S. 132) sehen, ist es angesichts der im vorigen Abschnitt beschriebenen Umschulungsfolgen unter Umständen eher so, dass das Spielen nach der Norm für Linkshänder*innen ein „unkalkulierbares Risiko“ darstellt. Es mag in vielen Fällen gut ausgehen, wie viele professionelle linkshändige Musiker*innen durch ihren Lebensweg gezeigt haben, kann aber auch, wie die geschilderten Fälle zeigen, ganz anders verlaufen und die Musiker*innen auf eine lange Suche nach dem, was „nicht stimmt“, schicken.






2.3 Linksgespielt von Anfang


I have played with the bow in the left hand from the beginning. I had the feeling from the start that I had played before and it felt most natural. Both hands are of course of equal importance, but the movements of the bow hand are longer, and have endless variations of contrasts, subtile nuances and is therefore dominant for me. – Terje Moe Hansen (2022)

Während die oben analysierten Erlebnisse und das damit einhergehende Umlernen vielleicht am Besten als ein „Nachhausekommen“ zu einem natürlichen Handgebrauch bzw. einem händigkeitsgerechten Instrumentalspiels darstellt, gibt es zahlreiche Musiker*innen, die direkt „zuhause“ ihr Instrumentalspiel begonnen haben. Darunter auch einiges an Prominenz, wie beispielsweise der bereits erwähnte Terje Moe Hansen, Professor für Violine an der Norges Musikkhøgskole in Oslo.


Um diese Möglichkeit aufzuzeigen, dass Linkshänder*innen durchaus auch in immer größer werdender Zahl ihr Instrumentalspiel linksseitig beginnen, was möglicherweise das Zukunftsideal darstellen könnte (oder sogar sollte!?), möchte ich in diesem kleinen Kapitel eine Musikerin vorstellen, mit der ich ebenfalls die Chance hatte zu sprechen und die genau diesen Weg gegangen ist.


Ich bin fest davon überzeugt, dass ich nicht Musik studiert hätte und nicht so weit gekommen wäre mit der Geige, wenn ich nicht von Anfang links hätte spielen dürfen – Reingard Voß (persönliche Kommunikation am 03.09.2024)

Während die traditionelle Norm der Instrumentenausrichtung bei Instrumentalanfänger*innen häufig dazu führt, dass diese unhinterfragt erlernt wird, gab und gibt es immer wieder Eltern und Instrumentalpädagog*innen, die sich mit den Problemen auseinandersetzen, die ein nicht händigkeitgerechtes Instrumentalspiel mit sich bringen kann. Dieses Glück hatte auch Reingard Voß, denn ihre Eltern, selbst Musiker und Musikerin, setzten sich dafür ein, dass sie die Geige linksseitig erlernen durfte, mit der sie 2024 ihren Bachelor an der HfM Dresden abschließt und in der Spielzeit 2024/25 als Substitutin in der Staatsoperette Dresden engagiert ist; entgegen allen Einwänden zu den Schwierigkeiten zum linkseitigen Spiel bei Streichinstrumenten im Orchester. Sogar im Orchestergraben, wo es noch enger ist, ist ein Linksspielen möglich, wie sich hier zeig.


Sicher werde ich auch immer versierter darin, wie ich mich hinsetze und so, aber es war auch wieder letzte Woche, dass Leute, die neben mir sitzen, es einfach nicht merken und mich dann nach mehreren Proben komisch angucken: „Hast du schon die ganze Zeit so gespielt?“ – R.V.

Für Reingard Voß ist es schon immer normal linksherum zu streichen und sie berichtet davon, wie sie als kleines Kind beispielsweise die Beratungsgespräche bei Jungend Musiziert wahrgenommen hat.


Die fingen immer alle an, von diesem „Linksspielen“ zu reden. Ich wusste aber gar nicht so richtig, was damit anzufangen. Oder haben da so von eigenen Erfahrungen berichtet. Ich dann so: „Mm, ich spiele auch nur Geige.“ – R.V.

Von Anfang an spielt sie linksstreichend auch in diversen Jugendorchestern mit, später sogar als Konzertmeisterin im Landesjugendorchester Sachsen-Anhalt. Das Orchesterspiel scheint kein Problem zu sein, auch nicht optisch, wie so oft behauptet wird.


Wenn man von oben gucken kann, dann ist es natürlich so, dass man das irgendwie ganz gut sieht, aber wenn man von vorne in so ein Orchester reinguckt und ich jetzt nicht außen sitze, dann sieht man eigentlich nur hoch und runter der Bögen; viel mehr als das links und rechts. Und dann fällt das tatsächlich sehr wenig auf und für meine Begriffe auch nicht so, dass das irgendwie groß stört. Weil es sitzen ja sowieso nicht alle perfekt parallel wie die Zinnsoldaten aufgereiht. – R.V.

Es gibt immer mehr Beispiele von linkshändigen Kindern, die ihr Instrument wie Reingard Voß linksseitig erlenen dürfen und während es für diese Kinder das Normalste in der Welt ist, das Instrument linkseitig zu spielen, bleibt es in der breiten Musiköffentlichkeit immer noch unbekannt. In der Instrumentalpädagogik spielen Linksinstrumente so gut wie keine Rolle. Leider haben Lehrkräfte nur selten ein Bewusstsein für die Händigkeit:


Ich habe gemerkt, dass meine Schülerin Linkshänderin ist und dann habe ich ihr die Geige einfach so ohne Kommentar mal andersrum gegeben und meinte, probiere mal, mit dem Bogen links zu streiten. Und dann hat sie sofort einen sehr klaren Ton herausbekommen und meinte: „huch, das fühlt sich ja so vertraut an“. Das aus dem Mund von einer Elfjährigen, auch dieses Wort vertraut, das fand ich schon krass. Die Eltern meinten dann, dass sie am Anfang bei der Lehrerin, bei der sie angefangen hatte, angefragt haben, ob es andersherum nicht möglich wäre, weil sie Linkshänderin ist. Und da meinte die: „Nee, das ist nicht möglich. Das macht man nicht.“ – R.V.

Man macht es eben doch und sogar sehr erfolgreich, wie Terje Moe Hansen, Reingard Voß, und die vielen anderen linskspielenden Instrumentalist*innen, die in diesem kleinen Kapitel nicht erwähnt wurden, zeigen.





2.4 Schlusswort


Diese Arbeit ist hauptsächlich eine Arbeit über eine Minderheit bzw. eine Minderheit innerhalb einer Minderheit: Umgeschulte Linkshänder*innen, die sich ihrer Händigkeit bewusst geworden sind und sich auf den Weg gemacht haben, diese auch zu leben. Ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende, Faktor auf diesem Weg war in den beschriebenen Fällen das Umlernen beim Musizieren vom Rechts- auf ein Linksinstument.


Aus der Auswertung der Interviews ergibt sich, dass der Wechsel auf das Linksinstrument als eine gigantische Befreiung wahrgenommen wird, die es endlich ermöglicht „wirklich Musik zu machen“. Ein Nachhausekommen zu einem bis dahin nicht gekanntes Wohlgefühl.


Auch wenn die Erfahrungen umgeschulter Linkshänder*innen nicht ohne weiteres auf alle Linkshänder*innen (die von Anfang an linkshändig leben durften) übertragen werden können, stellen sich doch einige Fragen:


  • Wenn die Umschulung von Linkshänder*innen so gravierende physische und psychische Einschränkungen mit sich bringt, was macht dann das rechtshändige Instrumentalspiel mit einem linkshändigen Kind?

  • Wenn die Umschulung von Linkshänder*innen juristisch als Körperverletzung angesehen werden kann (Peters, 2002), was bedeutet das dann für das erzwungene Spiel auf Rechtsinstrumenten?

  • Wenn es für umgeschulte Linkshänder*innen ein existenzieller Teil des Rückschulungsprozesses ist, auch das Instrument umzulernen, was mit einem vorher nie gekannten Wohlgefühl beim Spielen einhergeht, warum sollte man dann Instrumentalanfänger*innen genau dieses Gefühl vorenthalten oder gar verbieten?

  • Wenn wir gesellschaftlich in so vielen Bereichen so fortschrittlich sind, warum müssen sich Linkshänder*innen dann beim Musizieren einer viel zu starren und vielleicht längst überholten Tradition beugen?


So provokant die Fragen formuliert sind, so einfach ist das Problem: Alles ist möglich, aber nicht alles funktioniert gleich gut.


Die Frage der Händigkeit beim Musizieren dreht sich in keinem Fall um „möglich oder unmöglich“, sondern primär um die ausbalancierte Aufgabenverteilung von dominanter und nicht dominanter Hand. Möglich sind beide Richtungen, auch entgegen der Handdominanz. Wesentlich weiter geht die Überlegung, wie effizient das System des Instrumentalspiels die Leistungsunterschiede der Hände nutzt. (Mengler, 2010)


Es scheint, dass bei Linkshänder*innen in vielen, wenn nicht den meisten, Fällen ein Linksinstrument diese Anforderung viel besser erfüllen kann als jedes Rechtsinstrument. Es wäre wünschenswert, wenn diese Erkenntnis in der Instrumentalpädagogik Anerkennung fände.






3 Ein ganz persönliches Nachwort


Drawing back the curtains and letting you, dear reader, into my life isn´t easy, but it must be done. […] After learning […] that I wasn´t a right hander, I unwittingly opened the door of the cell I was trapped in by choosing to become left handed again. In discovering that I had been set free, I began the journey of my lifetime. (Randolph, 2007, S.1f)

In vielerlei Hinsicht wurde diese Arbeit auch immer mehr zu einer Auseinandersetzung mit mir selbst und dem, was ich erlebt habe, seit ich vor – fast auf den Tag genau – fünf Jahren begonnen habe, mit der linken Hand zu schreiben. Auch wenn ich schon immer wusste, dass ich mit meiner Geschichte nicht alleine bin und auch viele der Bücher, die ich bei der Recherche gelesen habe, schon vorher kannte, ist es mir erst in den vergangenen Monaten so richtig bewusst geworden, dass ich wirklich nicht alleine bin und viele Musiker*innen am Instrument genau die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie ich.


Die Erfahrungsberichte haben mich sehr berührt, sowohl die Gespräche, die ich im Laufe dieser Arbeit selbst führen durfte, als auch die vielen Interviews, die ich in der Vorbereitung gelesen habe: Es sind Geschichten von Instrumentalist*innen, die, um wirklich „Musik machen“ zu können, alles riskieren und mitunter den künstlerischen Studiengang abbrechen müssen oder den vorgezeichneten Weg ins Orchester nicht mehr weitergehen können.


Auch wenn meine eigene Geschichte bewusst nicht in diese Arbeit eingeflossen ist, so habe ich doch beim Recherchieren und Schreiben immer wieder Aspekte entdeckt, die mich dazu veranlasst haben, ganz neu über das, was ich erlebt habe, nachzudenken. Meine eigenen Erfahrungen in Worte zu fassen, ist nicht einfach, aber notwendig, weil es genau das ist, was ich zu den aufgeworfenen Fragen beizutragen habe. In gewisser Weise ist es die „journey of my lifetime”, aber auf der anderen Seite ist es besonders mit der Trompete eine tragische Geschichte.



Kein anderer Tag hat mein Leben so sehr beeinflusst wie der 30. August 2019. Denn an diesem Tag begann ich, mit links zu schreiben – einen Monat bevor ich nach Trossingen kam, um dort Trompete im künstlerischen Studiengang zu studieren. Ich bin nämlich Linkshänder, auch wenn ich meine ganze Schulzeit in der Illusion gelebt habe, Rechtshänder zu sein. Auch wenn ich in der Schule keine Probleme hatte, mit der Trompete, mit der ich in der Bläserklasse angefangen hatte, recht erfolgreich war und mich damals auch nicht wirklich unwohl in meiner Haut gefühlt habe, überkommt mich heute ein großes Ekelgefühl (anders kann ich es nicht ausdrücken), wenn ich an diese Zeit zurückdenke.


Während für mich damals alles normal war, weiß ich heute, wie sehr ich damals eine verzerrte Version von mir gelebt habe, wie weit ich von mir selbst entfremdet war. Denn nachdem ich begonnen hatte, mit der linken Hand zu schreiben, veränderte sich mein Leben in einer Weise, wie ich es mir nie hätte vorstellen können: Ich wurde viel offener, kommunikativer, unbeschwerter und selbstbewusster. In den ersten Wochen des Semesters war ich total erstaunt über mich selbst, wie viel ich plötzlich mit anderen Menschen sprach. Vorher bin ich Gesprächen eher aus dem Weg gegangen oder habe einfach nichts gesagt. Plötzlich lebte ich in einer fröhlichen, bunten, farbenfrohen Welt, wo vorher alles dunkel, schwer und schwarz-weiß war.


Auch wenn es mir aus damaliger Sicht nicht schlecht ging, gab es viele Momente, in denen ich sehr an mir zweifelte: Gerade mit der Trompete, aber auch überhaupt beim Musizieren, fühlte ich mich schon immer fehl am Platz. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas passte nicht. Es fühlte sich total falsch an! Ich wollte mich ausdrücken, aber alles war verknotet oder blockiert. Ein Brett vor dem Kopf. Meine Klavierlehrerin verzweifelte an mir: Sie versuchte alles, aber ich konnte meine Gefühle nicht wahrnehmen und ausdrücken... Von Anfang an fühlte ich mich auch unwohl bei dem Gedanken, Jungstudent zu sein – ich war zu schlecht! Ich dachte, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis mein Professor merken würde, dass er einen Fehler gemacht hatte, mir einen Studienplatz zu geben... Musik zu machen war mein tiefster Wunsch, aber es funktionierte einfach nicht.


Auch während der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den künstlerischen Studiengang kamen diese Zweifel und Fragen immer wieder auf: Warum sieht es so komisch aus, wie ich die Trompete halte? Warum halte ich sie so unnatürlich schräg? Warum gelingt es mir nicht, die Tasten richtig zu drücken? Und warum fällt es mir so schwer, aus mir herauszukommen? Bei einer einzigen Aufnahmeprüfung konnte ich meine Zweifel auszublenden. Das war in Trossingen, wo ich kurze Zeit später auch die Zusage bekam. Ich hatte vorher schon zwei Semester Schulmusik in Frankfurt studiert, da es im ersten Anlauf mit dem künstlerischen Studium nicht geklappt hatte. Auch wenn nun ein Traum in Erfüllung ging, war mir damals klar, dass sich etwas grundlegend ändern musste, wenn ich es im künstlerischen Bereich wirklich weit bringen wollte! So wie ich war, hatte ich keine Chance. Wenn ich wirklich Musik machen wollte, durfte ich nicht so verschlossen, gehemmt und blockiert sein.


Genau zu dieser Zeit beschloss meine jüngere Schwester, die als umgeschulte Linkshänderin inzwischen schon einige Zeit mit links geschrieben hatte, auch mit der Querflöte ganz auf ein Linksinstrument umzusteigen (wie in dieser Arbeit durch eines der Interviews bereits dokumentiert wurde). Unsere damalige Klavierlehrerin, selbst umgeschulte Linkshänderin, hatte meine Schwester auf die Händigkeit aufmerksam gemacht, und auch mir gegenüber immer wieder angedeutet, dass sie glaube, ich sei auch Linkshänder. Ein Handlungsimpuls ergab sich daraus für mich jedoch nicht. Bis zu diesem Moment. In meiner Verzweiflung versuchte ich während der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung, die Trompete andersherum zu halten, und hatte das Gefühl, dass es viel besser wäre.


Unglücklicherweise hatte ich mir angewöhnt, die Trompete sehr schräg anzusetzen, was es sehr schwierig machte, die Trompete andersherum zu spielen So fasste ich nach der bestandenen Aufnahmeprüfung den Entschluss, meinen Ansatz umzustellen (um es mit mittigerem Ansatz vernünftig linksherum ausprobieren zu können) und gleichzeitig mit dem Linksschreiben zu beginnen, was, wie schon beschrieben, ein unbeschreibliches Gefühl der Befreiung war.


Naiverweise dachte ich, dass die Ansatzumstellung sicher nicht lange dauern würde und ich bald normal spielen könnte, was aber nicht der Fall war. In meiner ersten Unterrichtsstunde bei Wolfgang Guggenberger fühlte ich mich wie ein totaler Anfänger. Ich traute mich auch nicht, davon zu erzählen, was der Hintergrund war... Aus Angst vor Unverständnis. Aber mal ehrlich, wie klingt denn auch diese Aussage: „Ich habe den Ansatz umgestellt, weil ich unbedingt wissen wollte, ob sich Linksspielen wirklich besser anfühlt als rechts herum und ich das nur so mit einem mittigen Ansatz authentisch beurteilen kann. Ach ja, ich habe erst vor ein paar Tagen begonnen, mit links zu schreiben…“


Zwar fühlte sich die Trompete nicht mehr nach meinem Hauptfach an und auch im Unterricht lief es nicht wirklich gut, doch fühlte ich mich zum ersten Mal wirklich wohl in meinem Körper. Endlich war ich ich. Immer wieder griff ich beim Üben mit Links (auch wenn es bautechnisch sowieso nicht so einfach ist, die Rechtstrompete links herum zu halten). Gegen Ende des Semesters sollten wir eine Audioaufnahme einer Etüde machen, bei der ich verzweifelte. Erst als ich einmal linksherum spielte, war ich mit der Aufnahme zufrieden: Es war auf einmal so viel klarer, so viel authentischer.


Dann bestellte ich bei Thomann eine Linkstrompete, die es zum Glück serienmäßig gibt, und fasste endlich Mut, im Unterricht über alles zu sprechen. Ich wollte gar nicht mehr aufhören zu üben, als ich die Linkstrompete zum ersten Mal ausgepackt hatte. Plötzlich war ich mit mir und dem Instrument im Reinen.


Glücklicherweise war mein Professor sehr offen und unterstützte mich in meinem Vorhaben, aber in meiner Hoffnung, dass nun alles besser werden würde, wurde ich schwer enttäuscht. Obwohl ich mich mit der Trompete endlich wohl fühlte, konnte ich seinen hohen Ansprüchen immer noch nicht gerecht werden, denn die Umstellung war doch nicht so einfach wie gedacht. Plötzlich merkte ich, wie sehr ich in der Höhe angedrückt hatte, was ich nun nicht mehr wollte und konnte – und ich sollte stupide an meiner Technik arbeiten, Widerrede zwecklos, wo ich doch einfach nur Musik machen, die neu gewonnenen Ausdrucksmöglichkeiten voll ausschöpfen wollte...


Es war gerade die Zeit der Corona-Pandemie, und es fiel mir immer schwerer, mich nach einem viel zu kritischen Unterricht wieder aufzuraffen und zu motivieren. Wir hatten einen anderen Dozenten für Orchesterstellen, den ich als sehr offen und verständnisvoll erlebte, weshalb ich mich an ihn wandte, um mit ihm darüber zu sprechen, dass ich den Eindruck hatte, dass mein Professor nicht verstand, was in dieser Situation das Beste für mich war. Die Folge: Ich wurde zusammengeschissen (anders kann ich es nicht formulieren…)! Ich solle mehr Vertrauen haben, er habe doch viel mehr Erfahrung und wisse viel mehr als ich. Und überhaupt hätte niemand verstanden, warum ich den Ansatz umgestellt habe und auch mit der Linkstrompete hätte sich gar nichts verbessert.


Ich konnte immer weniger mit Kritik umgehen. Ich fing an, an meiner Persönlichkeit zu zweifeln. Bin ich wirklich Linkshänder? – Die Diskrepanz zwischen meiner Erfahrung, dass sich alles viel klarer anfühlte, und den negativen Rückmeldungen aus dem Unterricht wurde unerträglich. Es wurde immer schwieriger, mich aufzuraffen und neue Motivation zu finden. Bis irgendwann der Punkt kam, an dem gar nichts mehr ging. Die Ungeduld meines Professors hat mich in gewisser Weise zerstört.



Nun sitze ich hier und schreibe die letzten Sätze meiner Bachelorarbeit. Mit der Trompete habe ich in diesem Semester meine Schulmusik-Abschlussprüfung gespielt, auch wenn die Trompete immer weniger zum Hauptfach geworden ist, da die Orgel in meinem parallelen Kirchenmusikstudium immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Aber auch hier schwebt wie ein Damoklesschwert die Frage über allem, ob das Instrument nicht falschherum ist. Ich wünschte, ich hätte mich mein Leben lang als Linkshänder daran gewöhnen können, dass diese Welt eine rechtshändige ist.


Heute verstehe ich, in welch psychisch sensibler Situation ich mich damals befand und welch großen, nicht zu unterschätzenden Umbau die Rückschulung sowohl beim Schreiben als auch am Instrument, für mein Gehirn bedeutete und wie ungewollt grausam die „Unterstützung“ meines Lehrers angesichts dessen war. Zum Glück gibt es viel schönere Geschichten als die meine. Und ich wünsche es jedem linkshändigen Menschen, dass er – wenn er es denn will – sein Instrument (am besten von Anfang an) auf linksseitig spielen darf und vor allem, dass dieser Prozess von einer sehr geduldigen, unterstützenden Lehrkraft begleitet wird. So schwer und schmerzhaft mein Weg auf der einen Seite geworden ist, so wenig bereue ich, ihn eingeschlagen zu haben. Mit der Linkstrompete habe ich nämlich erst wirklich zur Musik gefunden.



Hätte meine damalige Klavierlehrerin Verena Börsch nicht wiederholt meine Linkshändigkeit angesprochen und wäre meine Schwester Silke Becker nicht auf dem Weg vorangegangen, stünde ich nie dort wo ich heute stehe, weswegen diesen beiden Menschen mein tiefster Dank gilt.





Dirk Becker









Literaturverzeichnis


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