»Man wird immer wieder auf Ablehnung stoßen, aber ich denke, das gehört zu den Herausforderungen des Lebens. Wenn man sie mit Würde und positiver Einstellung annimmt, kann man sie überwinden und hinter sich lassen. Was mir immer bleiben wird, ist die schöne Erfahrung, Musik machen zu können und sie zu genießen.«
Der Linksgeiger José Antonio Herrera López (43) aus Valencia (Venezuela) im Interview
Wie beschreibst du deine Händigkeit?
Ich sehe mich als Beidhänder, da ich viele Dinge mit beiden Händen oder Füßen tun kann – wie Schreiben, Essen, Werfen oder einen Fußball kicken. Aber in Wahrheit wurde ich wohl als Linkshänder geboren, und da ich in einer Familie von Rechtshändigen aufwuchs, wurde ich wohl zur Rechtshändigkeit erzogen.
Meine Mutter, die zum Spaß und autodidaktisch ein Musikinstrument namens »Cuatro« (ein viersaitiges gitarrenähnliches Instrument, Anm. d. Red.) spielte, war diejenige, die den Grundstein für meine musikalische Karriere legte. Als sie mir ihr Instrument zum ersten Mal in die Hand gab, nahm ich es sofort linkshändig. Und so brachte sie mir bei, die Cuatro mit links zu spielen.
Wie ist die Situation linkshändiger Menschen in Venezuela?
Ich denke, dass sich die Situation für Linkshänder hier in meinem Land nicht sehr vom Rest der Welt unterscheidet. In einer rechtshändigen Gesellschaft werden wir Linkshändigen als »Sonderlinge« wahrgenommen. Es gibt Fortschritte und Entwicklungen in der Welt der Linkshänder, zum Beispiel gibt es in Schulen und Universitäten Stühle oder Schreibtische speziell für Linkshänder. Banken haben Scheckbücher für Linkshänder entworfen, es gibt Räume, deren Einrichtung auf Linkshänder ausgelegt ist, aber die sind nicht üblich.
Auch die Musik kann sich dieser Realität nicht entziehen: Linkshänder in der Musik zu sein, ein Instrument linksherum zu spielen, ist in meinem Land – zumindest in der klassischen, akademischen Musik – eine Seltenheit, fast eine Ketzerei (hahaha).
Kennst du andere Linksspielende in Venezuela?
Ich kenne mehrere linkshändige Musiker, die meisten von ihnen im Popular- oder Folkbereich, Interpreten populärer Instrumente wie Cuatro, Gitarre, Mandoline, venezolanische Maracas oder venezolanische Harfe. Aber im akademischen oder symphonischen Bereich kenne ich keine linkshändigen Geiger oder andere, die ihr Instrument mit links spielen. Tatsächlich sagen mir viele Geiger und Interpreten anderer sinfonischer Instrumente wie Bratsche, Cello oder Kontrabass, und auch Freunde oder Mitgeiger, dass ich mein Wissen am Instrument auf die rechte Hand übertragen sollte, dass es mir leicht fallen würde und ich so »normal« aussehen würde. Ich frage sie dann, ob sie mich als »abnormal« sehen, wenn ich mein Instrument mit der linken Hand spiele, und sie erzählen mir lachend die Geschichte, die auf der ganzen Welt verbreitet ist: »Instrumente wie die Geige sind für Rechtshänder konzipiert. Die Bauweise und die Anordnung der Saiten... Die Seele des Instruments befindet sich an einer bestimmten Stelle und wenn man das Instrument umdreht, werden die Schwingungen... blah blah blah...«. (lacht)
Also hast du von Anfang an linkshändig gespielt?
Ja.
Bitte erzähle uns mehr über deine Anfänge auf der Geige.
Bevor ich mit Geige anfing, habe ich, wie bereits erwähnt, meine musikalische Laufbahn auf unserem Nationalinstrument Cuatro begonnen. Dann habe ich in einer Schule für venezolanische Musik unter der Leitung eines meiner musikalischen Mentoren, Maestro Pedro Mendoza, Mandoline (mit der linken Hand) gelernt. Ich spielte in vielen Musikgruppen, den »Estudiantinas«. Dann verliebte ich mich in den Klang der Geige und kaufte mir eine. Ich fing an, sie im Selbststudium zu lernen, und zwar ebenfalls mit links, weil sie genauso gestimmt ist wie die Mandoline. Ich wollte meine Studien vertiefen, also besuchte ich eine Musikschule, wo ich auch Theorie und Solfeggio lernte, zusätzlich Klavier, und ich musste anfangen, die Geige mit der rechten Hand zu spielen, da die Lehrer sagten, dass das Spielen mit links kompliziert sei und dass es mir Probleme bereiten würde, in technischen Studien voranzukommen und in Orchestern mitzuspielen.
Nach meinem Abschluss an der Musikschule beschloss ich, mein Studium am Konservatorium meiner Stadt fortzusetzen und zu vertiefen. Als ich dort eintrat, fiel den Lehrern als Erstes auf, dass ich die Geige mit links spielte – und dazu noch mit den Saiten angeornet wie auf dem Rechtshänderinstrument.
Sie waren erstaunt über diese Stimmung und meine Gewandtheit beim Spielen sowie über die Tatsache, dass ich Noten lesen und schreiben konnte. Aber es gab immer eine gewisse »Apartheid« mir gegenüber, und obwohl ich es schaffte, ein paar Monate im Orchester zu spielen, war das für mich nicht angenehm. Es handelte sich nicht um Mobbing oder Ablehnung, aber die Blicke meiner Mitspielenden gaben mir zu verstehen, dass ich hier nicht richtig war, zumindest nicht zur damaligen Zeit.
Ich besuchte die Universität, schloss dort mein Studium als Bachelor of Music Education ab und war während meiner Studienzeit Mitglied der Estudiantina dieser Universität, einer Gruppe, die mich sehr freundlich aufnahm und mit der ich die Gelegenheit hatte, das ganze Land zu bereisen.
Ich spiele alle Arten von Musik. Ich kann Musik der großen Komponisten der akademischen Musik spielen (natürlich auf meinem Niveau), populäre venezolanische Musik, lateinamerikanische Musik und World Music. Ich bin Teil eines Ensembles namens »Ensamble D'a Ratico«, in dem ich den melodischen Part übernehme. Wir machen ganz viel Musik, die uns gefällt und Spaß macht.
Ich habe mich immer darauf spezialisiert, die Musik meines Landes zu spielen. Wir haben eine sehr große musikalische Vielfalt und ich denke, dass sie in der Welt zu wenig verbreitet ist. Ich liebe alle Musik, ich bewundere die symphonische Musik und die großen Komponisten, ich liebe Jazz und meine Stärke war immer die Improvisation. Ich lerne weiter, denn ich glaube, ein Leben ist nicht genug, um Musik zu lernen.
Was war für dich der schwierigste Aspekt beim Geigenspiel?
Es hat nicht lange gedauert, bis ich einen guten Klang hatte und die Geige stimmen konnte. Da es sich um ein Instrument ohne Bünde handelt, denke ich, dass das Schwierigste darin bestand, die Methoden der klassischen Geigenausbildung auf die Ausführung mit der linken Hand zu übertragen – ohne einen Lehrer zu haben, der versucht hätte, mich zu begleiten und zu akzeptieren, dass ich Linkshänder bin. Allerdings haben mir viele Geigenlehrer und Freunde auf meinem Weg sehr gute Ratschläge und Tipps gegeben, die ich mit positiven Ergebnissen umsetzen konnte.
Gab es Vorbehalte oder Bedenken von anderen Leuten gegenüber deinem Linksspielen?
Ja, wie ich schon sagte, sehen die Menschen einen Instrumentalisten, der mit links spielt, immer als eine Seltenheit, ein Phänomen, etwas Ungewöhnliches. Man wird immer wieder auf Ablehnung stoßen, aber ich denke, das gehört zu den Herausforderungen des Lebens dazu. Wenn man sie mit Würde und positiver Einstellung annimmt, überwindet man sie und kann sie hinter sich lassen. Was mir immer bleiben wird, ist die schöne Erfahrung, Musik machen zu können und sie zu genießen. Lass andere sich an deiner Kunst erfreuen, teile sie und fühle dich von denen bewundert und beklatscht, die zu schätzen wissen, was du tust.
Wer hat dich unterstützt?
Meine Eltern, besonders meine Mutter, die mir die Schönheit des Musizierens gezeigt hat, alle, die an mich geglaubt haben, Geigenlehrer, befreundete Geiger, Musikerkollegen, meine Frau, die eine hervorragende Flötistin ist und in großen Gruppen und Orchestern gespielt hat, meine Kinder, die bereits eine musikalische Karriere anstreben, und viele Freunde, die keine Musiker sind, aber Freude an der Musik haben und an dem, was ich mache.
Woher hast du deine Instrumente?
Ich habe meine Geigen zu unterschiedlichen Zeiten im Ausland gekauft und manche hier in meinem Land. Sie sind nicht für das Spielen mit der linken Hand angepasst, denn wie ich schon sagte, spiele ich sie in der gleichen Stimmung wie eine Geige für Rechtshänder.
Ich schließe die Möglichkeit nicht aus, in Zukunft ein Instrument zu kaufen, das speziell für Linkshänder gebaut wurde, um mit dieser Umkehrung der Saiten zu experimentieren.
Welche Erfahrungen hast du als Linksspieler in Orchestern und Ensembles gemacht? Gab es da irgendwelche Probleme?
Wie gesagt waren die Erfahrungen mit den Orchestern nicht schlecht, nur anders. Vor einiger Zeit haben wir mit dem Sinfonieorchester meines Bundeslandes und meinem Ensamble D'a Ratico, zusammengespielt. Wir haben eine Fuge mit Pajarillo von Maestro Aldemaro Romero aufgeführt, einem wunderbaren Komponisten aus meinem Land. Es ist ein sehr komplexes Werk, in dem populäre Soloinstrumente mit Orchester zum Einsatz kommen, darunter die Cuatro, die venezolanischen Maracas und die Violine, wobei ich die Gelegenheit bekam, deren Solopart zu übernehmen. Die Kommentare der Kritiker waren sehr positiv.
Hat deine Spielweise jemals zu kuriosen oder seltsamen Situationen geführt?
Die Leute sind immer wieder erstaunt, das Publikum ist beeindruckt, aber sie nehmen es gut auf. Wenn sie meine Musik hören, akzeptieren sie die Tatsache, einen Geiger mit der linken Hand spielen zu sehen, und schätzen die Tatsache, gute Musik zu hören.
Siehst du Vorteile darin, mit der linken Hand zu spielen?
Ich denke, dass allein die Möglichkeit, Musik machen zu können, schon ein Vorteil ist. Nicht jeder hat das Privileg, ein Musikinstrument zu spielen, die Komplexität der musikalischen Sprache zu verstehen und dem Publikum die Abstraktheit einer Komposition nahebringen zu können. Musik ist eine ätherische Kunst. Sie wird nur in dem Moment wahrgenommen, in dem sie gespielt wird, und dann schläft sie ein, bis sie erneut aufgeführt wird.
In diesem Sinne ist Linkshändigkeit oder Rechtshändigkeit bereits ein Zustand, der von der Gesellschaft in unterschiedlichem Maße toleriert wird. Ich denke, das Wichtigste ist die Macht des Musizierens. Wenn wir gut spielen auf die Art, mit der wir uns wohl fühlen, sollte das völlig legitim und anerkannt sein, egal, ob es mit rechts oder mit links ist.
Ich denke, mein Vorteil beim Geigen mit der linken Hand ist, dass ich ein Vorbild sein kann, von dem die Leute sagen: »Er spielt gut und er ist ein linkshändiger Geiger. Letztendlich ist es nicht wichtig, mit welcher Hand er spielt, sondern wie gut er es macht.«
Ich war total begeistert, als ich entdeckte, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die mit der linken Hand spielen und die mit euch Aktivisten und Förderern beschlossen hat, die künstlerische Arbeit linkshändiger Musiker auf der ganzen Welt, die nicht weit verbreitet ist, sichtbar zu machen. Ich danke euch und »Linksgespielt« für alles, was ihr für unsere Gemeinschaft tut.
Und von nun an muss ich euch sagen, dass ihr immer auf meine Unterstützung zählen könnt. Eine große Umarmung für euch.
Weitere Interviews mit linksspielenden Geigern und anderen Musikerinnen auf der ganzen Welt.
Fotos: Raul Simao und Jhoham Gil
Comments